Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
Liebe. Zumindest nicht heute.« Sie gab der jungen Baronesse einen Becher Wein. »Ich fürchte, ich bin heutzutage so etwas wie eine Außenseiterin. Ich will einfach nur zuhören und herausfinden, was die diversen Tempel so meinen. Und wer weiß? Vielleicht werden die, die sich gegen Ondo und Geb verschworen haben, bei ihren Reden nicht aufpassen und sich verraten, wie es die Schuldigen ja oft tun.«
Durge hielt das für eher unwahrscheinlich, auch wenn er es nicht aussprach. Jemand, der Götter tötete, konnte kein Amateur sein.
Nur etwa die Hälfte der Logen der Etherion waren besetzt, die anderen blieben leer. Zweifellos hatten viele Priester Angst, ihre Tempel zu verlassen, da die Mörder noch immer in der Stadt frei herumliefen. Schließlich hatte man nicht nur Götter getötet.
»Sieht so aus, als würde die Sitzung beginnen«, sagte Melia. »Hören wir zu.«
Sie begab sich zu einem vergoldeten Horn, das wie eine Art Fanfare geformt war und aus der Wand herausragte, und entfernte einen Deckel von seiner Öffnung.
Durge verrenkte den Hals, um über die Balustrade sehen zu können. Der tief unten gelegene weiße Boden der Etherion war bis auf ein dreieckig geformtes Podest aus cremigweißem Stein leer. Auf dem Podest erhob sich ein Sockel, der von einer goldenen Kugel gekrönt wurde; außerdem ragten drei goldene Hörner – die dem in der Wand von Melias Loge ähnelten – daraus hervor. Wieder fragte sich Durge, welchen Zweck sie hatten. Wenn es sich um Fanfaren handelte, dann waren sie falsch herum montiert, da ihre größeren Enden nach außen zeigten. Auf dem Podest standen drei Gestalten.
»Wer sind diese Leute?«, fragte Aryn Melia flüsternd.
»Sie sind die drei Stimmen der Etherion«, antwortete Melia leise. »Sie werden jedes Jahr neu gewählt, um die Diskussion zu leiten. Eine wird von den Tempeln der beiden untersten Etagen gewählt, eine von den beiden höchsten Etagen und die Letzte von denen in der Mitte. So werden alle Tempel repräsentiert.«
Aryn wollte noch eine Frage stellen, aber in diesem Augenblick hob eine der Gestalten auf dem Podest die Hand und sprach. Es war ein hoch gewachsener Priester mit zotteligem schwarzem Haar und schwarzen Augen, die, wie man sogar aus der Ferne erkennen konnte, wild funkelten.
»Ich sagte, ich rufe die Etherion zur Ordnung!«
Durge hätte gedacht, dass die Stimme des Mannes in der Weite unterhalb der Kuppel ungehört verklingen würde, aber irgendwie dröhnte sie in die Loge. Trotz des Nachdrucks, mit dem diese Worte gesprochen worden waren, unterhielten sich die Priester und Priesterinnen weiter und gingen zwischen den Logen und Etagen hin und her und hielten spontane Versammlungen ab.
Falken schnaubte. »Ich bin mir nicht sicher, ob in die Etherion überhaupt jemals Ordnung einkehren kann.«
Melias Miene wirkte gequält, aber sie widersprach nicht.
Durge beobachtete die Vorgänge mit einer Mischung aus Interesse und Geringschätzung. Es war offensichtlich, dass der Barde Recht hatte; das hier war keine ordentliche Versammlung, sondern eher ein großes, chaotisches Durcheinander, in dem Worte die bevorzugten Waffen waren.
Der große Priester auf dem Podest hieß Medris, wie Durge irgendwann erfuhr, und er repräsentierte den Tempel von Zeth, der eindeutig einer der mächtigsten und wichtigsten Götter von Tarras war, da der Kaiser Anhänger seiner Mysterien war.
Die Frau auf dem Podest hieß Vanhera. Sie war fast so groß und stolz wie Medris, aber wo er wie glühender Stahl war, war sie kühles Silber. Wie sich herausstellte, war sie die Hohepriesterin des Tempels von Yrsaia der Jägerin, eine Tatsache, die Aryn zusammenzucken ließ, als sie enthüllt wurde. Durge wusste, dass Yrsaia eine der wichtigsten Göttinnen der Domänen war, aber hier repräsentierte Vanhera nur die mittleren Etagen der Etherion.
Der dritte Priester war der Auserwählte der untersten Etagen; er war ein ausgezehrter Mann in einer graubraunen Robe, dennoch schien er irgendwie energischer als die anderen beiden zu sein. Es war Lyderus, Priester des Tempels von Gol, der, soweit Durge es verstand, der Gott einer Gruppe asketischer Einsiedler war. Vermutlich erklärte das Lyderus’ hageres Antlitz.
Durge wusste, dass die Götter selbst nicht in der Etherion anwesend waren, sondern nur ihre Priester, aber eine Macht lag knisternd in der Luft, die er nicht bestreiten konnte. Es fühlte sich an wie die Luft über den Mooren von Embarr, bevor ein Sturm mit Donner und Blitz
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