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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Tür.
    Schwester, kannst du mich hören?
    Die Stimme klang wie aus weiter Ferne, war aber deutlich verständlich.
    Aryn, wenn du mich hören kannst, musst du sofort zu Lady Melias Gemach kommen.
    Es war Lirith. Aryn sammelte ihre Willenskraft und versuchte zu antworten. Vergangene Nacht hatte sie vor der Zusammenkunft endlich entdeckt, wie man willentlich durch die Weltenkraft sprach. Wie so viele Dinge war es viel leichter, als sie sich vorgestellt hatte. Es war, als wäre die Fähigkeit dazu die ganze Zeit da gewesen, nur eben verborgen. Genau wie ihr Arm. Doch es gab noch vieles zu lernen, und sie war noch immer ungeschickt darin. Sie konnte Liriths Faden nicht sehen; er war zu weit entfernt.
    Ich komme!, rief sie, obwohl ihr klar war, dass Lirith sie nicht hören konnte. Sie eilte aus dem Raum. Welcher Schrecken konnte Liriths sonst so beherrschte Stimme so scharf gemacht haben? Vielleicht war Melia wieder erkrankt; Lirith hatte erwähnt, dass sich die Lady in letzter Zeit seltsam verhalten hatte.
    Aryn hatte Melias und Falkens Gemach fast erreicht, als eine dürre Gestalt aus einem Alkoven sprang und verkrümmt vor ihr landete. Sie stieß einen leisen Schrei aus. Das Ding entfaltete lange, knochige Glieder und richtete sich zu der Gestalt eines Mannes auf. Glöckchen bimmelten; es klang wie Gelächter.
    »Meister Tharkis«, stieß Aryn hervor, ohne vollständig erleichtert zu sein. Diese Ablenkung konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. »Was wollt Ihr?«
    »Was ich will?«, sagte der Narr. »Habt Ihr vergessen, Eure Hoheit? Was ist mit unserem Dichterwettstreit?«
    Sie hob die linke Hand und legte sie an die Brust. »Wovon sprecht Ihr?«
    Er schlich auf den spitzen Stiefeln auf sie zu; sein Narrengewand war voller Staub und Spinnweben. Wo hatte er sich herumgetrieben, um so schmutzig zu werden? »Ihr nahmt meinen Namen und schmiedetet einen Reim. Jetzt bin ich an der Reihe, und es klingt richtig fein.«
    Seine Stimme klang irgendwie seltsam. Sie war stiller als gewöhnlich, viel zischender. In seinen Augen funkelte ein durchtriebenes Licht. Aryn konnte bloß zusehen, wie er die Arme ausbreitete und in einem leisen, singsangähnlichen Tonfall zu sprechen anfing.
    »Liebliche Lady Aryn, sitzt auf keinem Thron, Heiraten muss sie einen Baron,
Aber keiner will sie zur Frau nehmen.
Ihren Arm versteckt sie unter ihrer Tracht,
Doch hütet Euch, denn tödlich ist ihre Macht.
Der Preis ihrer Liebe ist ein Leben.
 
Ihre schönen Schwestern
Beschimpften sie gestern.
Eines Tages werden sie um Vergebung rufen.
Mit dem Schwert in der Hand,
Reitet sie übers Land
Und trampelt sie alle nieder mit den Hufen.«
    Aryns Blut verwandelte sich in Eis. Hatte der Narr beobachtet was sie mit Belira und den anderen gemacht hatte? Aber der letzte Teil seines Gedichts war noch beunruhigender, er erinnerte sie an die Karte, die sie aus dem Spiel der alten Mournisch gezogen hatte. Aber es war unmöglich, dass der Narr davon erfahren haben konnte … oder doch?
    Tharkis grinste und entblößte spitze gelbe Zähne. »Dass ich den Sieg davongetragen habe, verrät mir Eure Reaktion. Und jetzt, meine Süße, nehme ich mir meinen Lohn.«
    Der Narr hüpfte auf sie zu, und ein übler Geruch drang in ihre Nase. Das Grinsen wurde noch breiter und verzerrte sein Gesicht zu einer grotesken Maske aus Höckern und Falten. Glöckchen bimmelten, wurden dann aber von blauem Stoff gedämpft, als er sich gegen sie drückte.
    Wut stieg in Aryn auf – reine, unverfälschte, heiße Wut.
    »Verschwinde, Hund«, stieß sie in einem Ton hervor, den sie kaum noch als den ihren erkannte. Wie von einem eigenen Willen erfüllt, schob sich ihr rechter Arm aus der Schlinge.
    Tharkis sprang zurück. Das Narrengrinsen war verschwunden, seine Miene zeigte blankes Entsetzen. Er schielte nicht länger, schien durch sie hindurchzusehen.
    »Sprecht nicht so, meine Schöne«, krächzte er heiser und bebend. »Eure Stimme ist hart und kalt. Sie klingt wie die ihre, jawohl. Und Eure Augen, sie blicken so scharf. Sie durchbohren mich, genau wie sie es tut.«
    Aryn vergaß ihre Wut. Tharkis kauerte sich nun zusammen, wiegte sich selbst und gab wimmernde Laute von sich.
    »Von wem sprecht Ihr?«, wollte sie wissen.
    »Der Schatten in den Bäumen!« Er sprach ganz normal, es gab keinen Anflug von einem Reim. »Sie mit den vielen Augen. Sie sieht alles. Ich kann mich nicht verstecken … sie findet mich selbst im Schlaf. Aber sie ist nicht die Einzige, die sehen kann.« Er

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