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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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sie ihn in eine staatliche Einrichtung verlegen. Das hier war ein öffentliches Krankenhaus, man konnte niemanden abweisen, aber man würde auch nicht zulassen, dass ein unbekannter Patient auf Dauer ein Bett belegte. Doch das war bei weitem nicht ihre einzige Sorge.
    Es war nur eine Frage der Zeit, bis Duratek sie finden würde.
    In gewisser Hinsicht war Grace überrascht, dass man sie drei nicht schon längst gefangen genommen hatte. Fast täglich sahen sie oder Travis einen der schnittigen schwarzen Wagen eine Straße der Stadt entlangfahren – langsam, als würden die Insassen nach jemandem suchen. Zweifellos ging Duratek davon aus, sollten Grace oder Travis jemals zurückkehren, würden sie hierher kommen, nach Denver. Und der Konzern hatte Recht damit.
    Grace hatte keine Ahnung, wie sie es anstellen sollten, aber irgendwie mussten sie und Travis nach Eldh zurückkehren. Und sie mussten Beltan mitnehmen. Sie war davon überzeugt, dass Duratek sehr daran interessiert sein würde, einen Einheimischen der Welt in die Hände zu bekommen, die der Konzern vergewaltigen und erobern wollte.
    Doch jetzt stand Beltan kurz vor dem Erwachen. Wenn sie ihn nur irgendwo in Sicherheit bringen konnten, während er sich vollends erholte, konnten sie sich auf die Suche nach einem Weg zurück machen. Doch sie konnte ja schlecht die Polizei um Hilfe bitten, Grace hatte einen ihrer Detectives mit Handschellen gefesselt und mit der Waffe bedroht. Dabei spielte keine Rolle, dass Janson ein Eisenherz gewesen war; das wusste die Polizei nicht. Wohin konnte sie sich also wenden, um Schutz zu bekommen?
    Aber das hast du doch von Anfang an gewusst, Grace.
    Sie griff in ihre Jeanstasche und zog eine Visitenkarte heraus. Sie war mittlerweile eher grau als weiß, verschmutzt und eingerissen, aber sie konnte sie noch lesen:
    DIE SUCHER
1-800-555-8294
    Sie bewahrte die Karte schon so lange auf, seit jener Nacht im vergangenen Oktober, als Hadrian Farr sie ihr gegeben hatte. An wen sonst konnte sie sich um Hilfe wenden, wenn nicht an sie?
    Du solltest Travis fragen.
    Doch noch während sie das dachte, ging sie zur Tür und zum nächsten Münzfernsprecher.

19
    Deirdre Falling Hawk saß in einer Ecke des schummrigen Pubs in Soho und betrachtete eindringlich das Glas mit der klaren grünen Flüssigkeit auf dem Tisch vor ihr. Auf einem Teller neben dem Glas lagen ein Zuckerwürfel und ein silberner Löffel. Obwohl man sie im Halbdunkel der Kneipe kaum ausmachen konnte, waren Worte in die Oberfläche des Löffels graviert: Trinke und vergesse.
    Wenn es wirklich so einfach wäre … Aber war sie nicht deshalb hier? Auf dem Brett, das vor der abblätternden Tür des Pubs hing, stand Crumbe’s Cupboard. Und wenn sich einmal ein Tourist oder Geschäftsmann hier hinein verirrte, fand er nur klebrige Tische, Gläser mit warmem Bass Ale und kalten Backfisch mit Pommes. Doch von ihren Besuchen in London wusste Deirdre, dass bei den Einheimischen diese Kaschemme als ›The Sign of the Green Fairy‹ bekannt war. Und sie kamen wegen etwas ganz anderem.
    Ganz schnell, als befürchte sie, sie könne es sich anders überlegen, legte sie den Zuckerwürfel auf den Löffel und senkte ihn ins Glas. Dann nahm sie das Glas und trank einen großen Schluck von der grünen Flüssigkeit. Sie war süß und gleichzeitig sehr bitter. Der lakritzähnliche Geschmack von Anis ummantelte ihre Zunge, und die scharfen Ester von Wermut stiegen in ihrem Kopf empor, ein smaragdgrüner Nebel, der ihr Gehirn einhüllte.
    Als Deirdre das Glas senkte, fiel ihr eine altmodische Lithografie an der gegenüberliegenden Wand auf. Sie stellte einen jungen Mann in einem viktorianischen Rock mit Krawatte dar, der an einem Tisch saß und wie verrückt mit einem Federkiel auf ein Blatt Papier vor ihm schrieb. Hinter ihm stand eine Frau, bekleidet mit einem fließenden Gewand, und zerzauste das Haar des Schreibenden mit schlanken Fingern. Nein, nicht einfach eine Frau. Hauchdünne Flügel sprossen aus ihrem Rücken, und ihr Gewand verlängerte sich zu einem Kometenschweif aus Blättern und Sternen. Also eine Fee. Sie hatte die Augen geschlossen, und das Lächeln auf ihrem unmenschlich schönen Gesicht war sowohl gelassen als auch grausam.
    Deirdre wusste nicht, wer der Mann auf dem Bild sein sollte. Wilde, vielleicht auch Tennyson. Es spielte keine Rolle. Sie alle hatten doch Absinth getrunken, nicht wahr? Die Hälfte der Künstler dieser Zeit waren von dem bitteren grünen Schnaps abhängig

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