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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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hinein.
    Der Türsteher war ein achondroplastischer Zwerg, bekleidet mit schwarzem Leder. Er saß auf einem Barhocker hinter einem Podium, den Kopf glatt rasiert, einen blonden Spitzbart ums Kinn. Seine Augen waren von einem strahlenden, schönen Blau. Er konnte nicht älter als zwei- oder dreiundzwanzig sein. Nachdem er sie von oben bis unten gemustert hatte, entblößte er große, weiße Zähne zu einem Grinsen.
    »Wir sind voll«, sagte er.
    Deirdre beäugte den leeren Gang hinter ihm. Er war völlig schwarz, bis auf den Boden, der in einem verkratzten Gelb gestrichen war. Dahinter dröhnten die pulsierenden Geräusche elektronischer Tanzmusik.
    Deirdre grinste ebenfalls. »Das glaube ich nicht.«
    »O doch, wir nehmen heute Abend keinen mehr auf«, sagte der Türsteher. »Sie müssen morgen wiederkommen.«
    »Wie viel?«, fragte Deirdre seufzend. »Fünf Pfund? Zehn?«
    Der Türsteher schüttelte nur den Kopf.
    Deirdre lehnte sich auf das Podium. »Hören Sie zu – es ist wichtig. Ich suche jemanden, den ich heute kennen gelernt habe. Sie heißt Glinda. Ich muss wissen, ob sie hier ist. Sie hat mir das hier gegeben.«
    Deirdre legte die Münze auf das Podium. Dabei wurden die Augen des Türstehers größer.
    »Asche und Blut! Warum hast du nicht gesagt, dass du Glinda suchst?« Er nahm die Münze, steckte sie in eine Tasche und hüpfte vom Barhocker. »Hier entlang.« Er ergriff den Saum ihres Mantels und zerrte daran. »Komm schon. Hier entlang.«
    Der Gang war länger, als Deirdre vermutet hätte. Die schwarz gestrichenen Wände nahmen ihr die Orientierung, zogen sich in die Dunkelheit zurück, sodass der leuchtend gelbe Boden ein Pfad zu sein schien, der über eine lichtlose Ebene führte. Dann dehnte sich das dumpfe Pochen zu einem rhythmischen Geräuschorkan aus. Gebrochene Scherben eines Regenbogens leuchteten auf ihrer Haut auf, flackerten dann vorbei, wie Leuchtkäfer, die durch die rauchgeschwängerte Luft wirbelten.
    »Da ist sie.«
    Der Türsteher deutete in eine düstere Ecke hinter der leuchtenden Tanzfläche, auf der ein Dutzend spindeldürre Gestalten wogten, bekleidet mit Pailletten, Federn und hellem Plastik. Deirdre erhaschte einen Blick auf orangefarbenes Haar und das Schimmern heimgesuchter violetter Augen.
    Der Türsteher drehte sich um und verschwand wieder in dem Gang. Deirdre bahnte sich den Weg durch den Klub. Lametta baumelte von der unsichtbaren Decke, und Fernsehbildschirme schwebten in seltsamen Winkeln, ließen in juwelenähnlichen Farben Bilder aufblitzen. Gestalten lungerten in neblig-trüben Alkoven und düsteren Ecken: einige klein und stämmig wie der Türsteher, andere groß und schlank, verträumt auf schäbiges Chaiselongue drapiert. Sie spürte neugierige Blicke auf sich, als sie an ihnen vorbeiglitt.
    Glinda hatte sich auf einem räudigen purpurnen Sofa zusammengerollt, das wie ein Halbmond geformt war. Ihre weidenzweigdünnen Arme waren auf der Lehne des Sofas gefaltet, ihr orangener Wuschelkopf ruhte darauf. Violette Augen starrten die flackernden Lichter an, so leer wie die kleine Plastikflasche, die verkehrt herum neben ihr auf dem Sofapolster stand.
    Deirdre fluchte leise. Sie hob die Flasche auf und setzte sich auf das Sofa. »Wie viele, Glinda? Wie viele hast du genommen?«
    Deirdre drückte eine Hand auf ihre Stirn, packte sie dann an den Schultern und schüttelte sie. Glindas Haut war unter dem quietschenden schwarzen Vinyl kalt und steif wie Ton. In kleinen Mengen konnte Electria Euphorie und Wohlbehagen hervorrufen. In großen Dosen konnte es den Herzschlag verlangsamen und die Körpertemperatur senken, bis hin zum Koma und zum Tod.
    »Glinda, du musst mir sagen, wie viele …«
    Sie hielt inne. Die andere Frau sah sie an, mit Augen, über denen ein Nebel lag wie der, der über die Tanzfläche trieb, und die sie trotzdem irgendwie durchdrangen. Sehr purpurne Lippen öffneten sich zu einem Lächeln.
    »Du bist gekommen.« Glindas Stimme war ein leises Krächzen. »Mond und Sterne, du bist gekommen. Aber du kommst zu spät, Schätzchen. Du kommst zu spät.«
    Deirdre strich verfilztes orangenes Haar aus ihrem Gesicht. »Es ist nicht zu spät, Glinda. Sag mir nur, wie viele Pillen du genommen hast. Ich bringe dich ins Krankenhaus.«
    Glinda setzte sich auf. »Nein«, fauchte sie. »Nadelstecher. Blutlecker. Nein, du bringst mich nicht ins Krankenhaus. Die sind doch alle gleich, stochern herum und stecken was rein. Was lässt dich ticken, Schätzchen? Was fließt

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