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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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mehr Staub quoll auf.
    »Xemeth«, murmelte Vani gequält.
    Grace warf der Meuchelmörderin einen Blick zu und glaubte zu verstehen. In gewisser Weise trug Vani die Schuld dafür, dass sich Xemeth mit den Scirathi verbündet und den Dämon befreit hatte, denn sie hatte seine Liebe zurückgewiesen. Trotzdem war das seine Entscheidung gewesen und nicht die ihre. Sanft löste sich Grace von Aryn und ging auf die T’gol zu. Sie zögerte, dann legte sie Vani die Hand auf den Arm.
    »Es war nicht deine Schuld«, sagte sie.
    Vani nickte steif, erwiderte aber nichts.
    Falken ballte die Hand mit dem schwarzen Handschuh zur Faust. »Da der Dämon jetzt zerstört wurde, hoffe ich, dass der Fluss der Zeit wieder zu seinem rechtmäßigen Verlauf zurückkehrt.«
    Melia hatte ihre Tränen getrocknet. »Das ist er bereits. Mandu hat mir mitgeteilt, dass es hier und da noch ein paar Wirbel und Strudel gibt, aber dass selbst die sich beruhigen. Wir werden uns nicht länger in der Vergangenheit verlieren.«
    Beltan erschauderte. »Ja, genauso war es – in die Vergangenheit verstrickt zu werden.«
    Aryn schaute mit weit aufgerissenen Augen auf. »Ich nahm an … ich nahm an, das wäre nur mir passiert.«
    Grace musterte ihre Freundin besorgt. »Was ist geschehen, Aryn?«
    »Es war schrecklich.« Die Baronesse legte ihren funktionierenden Arm vor die Brust. »Wie ein böser Traum, nur viel realer. Es war wieder der Abend der Wintersonnenwende, und ich …« Sie holte tief Luft und nahm die Schultern zurück. »In diesem Traum habe ich etwas Schreckliches getan, etwas, das ich auch in Wahrheit tat, und dessen ich mich furchtbar schäme.«
    Grace verstand. Leothan. Aryn hatte den jungen Lord mit einem Zauber getötet. Aber er war ein Eisenherz gewesen.
    »Dann war da ein Schatten. Er wollte, dass ich mich vom höchsten Turm des Schlosses stürzte. Aber das habe ich nicht.« Sie schaute mit leuchtenden blauen Augen auf. »Denn wisst ihr, ich wusste, dass das nicht die richtige Antwort sein konnte, dass der Tod meine Tat nicht ungeschehen machen würde. Ich glaube, der Schatten war wütend. Er schrie mich an, aber ich floh.«
    Grace wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie ergriff Aryns Hand – die rechte, nicht die linke – und nahm die blassen, verkümmerten Finger zwischen beide Hände.
    »Euer Traum unterscheidet sich nicht sehr von meinem«, sagte Beltan mit für ihn uncharakteristischem Ernst. »Genau wie Ihr erlebte ich wieder eine dunkle Tat, die ich einst beging. Es war … ein Mann, den ich getötet habe. Dann kam der Schatten und wollte mich dazu bringen, den Dolch gegen mich selbst zu richten. Ich fing an, mir die Klinge ins eigene Herz zu stoßen. Aber dann …«
    »Was dann?«, wollte Grace wissen.
    Der große Ritter zuckte mit den breiten Schultern. »Dan erkannte ich, dass, was auch immer ich in der Vergangenheit getan habe, es etwas in der Gegenwart gibt, wegen dem ich leben will.«
    Grace lächelte ihn an; sie brauchte den Namen nicht laut auszusprechen. Travis. Aber was konnte Beltan nur für eine finstere Tat begangen haben? Er hatte gesagt, er hätte einen Mann getötet, aber er war ein Krieger. War er nicht gezwungen gewesen, in der Schlacht viele Männer zu töten?
    Melia berührte die Blüten einer Lindara -Pflanze, die an der weißen Häuserwand emporwuchs. »Ich glaube, der Schatten in euren Träumen war der Dämon. Das war ein Teil seiner Magie. Hättet ihr in eurem Traum das getan, was er wollte, dann hätte er gewonnen, und er hätte euch verschlungen.« Sie lächelte stolz. »Aber ihr habt dem Schatten nicht nachgegeben. Die Geister der Vergangenheit werden euch nicht mehr quälen.«
    Grace wusste, dass das nicht hundertprozentig korrekt war. Die Schatten der Vergangenheit waren noch immer da. Wenn sie die Augen schloss und mit der Gabe zugriff, konnte sie sie noch immer sehen, wie sie bei jedem von ihnen mit ihren strahlenden Lebensfäden verbunden waren.
    Dennoch …
    Die Schatten waren kleiner geworden, mehr in die Ferne gerückt. Das galt sogar für Graces Schatten. Sie dachte darüber nach, und vielleicht, nur vielleicht, verstand sie den Grund dafür. Sie konnten ihre Vergangenheit niemals hinter sich lassen, nicht vollständig; sie würde sie immer begleiten wie ein Schatten. Aber sie hatte auch wie ein Schatten keine reale Macht über sie, keine fassbare Gestalt. Die Dunkelheit würde stets bleiben, aber das bedeutete nicht, dass sie nicht nach vorn sehen konnten – in das Licht.
    Grace

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