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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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sehen, was er da tat, und seine Finger waren taub; es würde unmöglich sein herauszufinden, wie der fremdartige Verschluss funktionierte.
    Aber das war es nicht. Wieder überkam ihn das kühle Kribbeln, diesmal in den Fingern, die sich mit einer Geschicklichkeit bewegten, von der er überzeugt war, sie nie zuvor besessen zu haben.
    Der Riemen löste sich, Beltan setzte sich auf.
    Das Laken rutschte herunter, und er starrte an sich herab. Als er sich das letzte Mal gesehen hatte, war er schrecklich dünn gewesen, wie die Menschen in dem Dorf, durch das er eines Frühlings geritten war, in dem der Wintervorrat an Getreide verdorben und die Leute beinahe verhungert waren.
    Aber heute nicht. Er war noch immer dünn – viel zu dünn. Von seinem alten Bierbauch war keine Spur mehr zu sehen; er konnte mühelos seine Rippen zählen. Aber seine Haut schimmerte warm und rosig, darunter arbeiteten flache Muskelbündel. Seine Wunde aus der Nacht der Wintersonnenwende war eine grobe, weiße Linie, die sich seine Seite herabzog. Er spannte die Arme an. Sie waren steif, aber er hatte das Gefühl, ein Schwert schwingen zu können, falls es nötig war.
    Aber das war unmöglich. Ein krank daniederliegender Mann konnte nicht in so kurzer Zeit so viel an Gewicht zunehmen.
    Wie auch immer die Antwort auf dieses Rätsel aussehen mochte, sie würde warten müssen. Die Riemen um seine Knöchel waren leicht zu entfernen, aber bei der Röhre in seinem Arm wurde er unsicher. Er packte sie, biss die Zähne zusammen und riss sie heraus. Es tat etwas weh, und es floss auch etwas Blut, aber es war nicht so schlimm wie gedacht. Vorsichtig schwang er die Füße herum, stellte sie auf den kalten Boden. Er stieß sich von der Liege ab, und zum ersten Mal seit zwei Monaten stand Beltan wieder auf seinen eigenen Beinen.
    Es war auch beinahe das letzte Mal. Seine Ohren dröhnten, der Raum wirbelte um ihn herum. Er taumelte und wäre gefallen, um sich den Kopf auf dem harten Boden aufzuschlagen, aber im letzten Augenblick konnte er das Stahlgestell neben der Liege erwischen und sich daranhängen wie eine der durchsichtigen Blasen voller Flüssigkeit.
    Er atmete und spuckte aus; langsam legte sich der Schwindel.
    Er machte ein paar Schritte, diesmal aber langsam. Mit jedem weiteren wuchs sein Selbstvertrauen. In wenigen Augenblicken hatte er die Tür erreicht. Er schwitzte und atmete viel zu schwer dafür, dass er kaum mehr als ein Dutzend Schritte gegangen war, aber er hatte es geschafft. Neben der Tür hing an einem Haken ein dünner weißer Mantel wie der, den die Doktorin getragen hatte. Er zog ihn sich über und hielt ihn zusammen. Er war zu klein, aber es war besser als nichts.
    Ein leises Schnattern ertönte.
    Der Schim-Pansi schaute ihn durch das Käfiggitter an. Seine braunen Augen blickten weich, während er ein leises Geräusch von sich gab. Das Wesen erschien beinahe besorgt um ihn. Aber vielleicht war es das tatsächlich. Jetzt aus der Nähe konnte er sehen, dass es sich um ein Weibchen handelte.
    Beltan grinste. »Mir geht es gut, Mylady.« Er hob einen Finger an die Lippen. »Jetzt sei leise. Wir wollen doch nicht, dass jemand merkt, was wir tun.«
    Das Geschöpf beobachtete ihn weiter durch den Gitterdraht.
    Die Tür bestand aus Stahl. Sie hatte keinen Riegel, um sie geschlossen zu halten, so wie die meisten Türen, die Beltan kannte, aber es gab einen Stahlhebel, der offensichtlich dazu gedacht war, sie zu öffnen. Beltan drückte ihn herunter.
    Er rührte sich nicht.
    Er lehnte sein ganzes Gewicht dagegen, aber es nutzte nichts. Um was für eine Art von Schloss handelte es sich hier?
    Wieder ertönte das Schnattern. Der Schim-Pansi hatte die Finger durch den Draht geschoben und wedelte damit in seine Richtung.
    »Jetzt nicht, Mylady«, murmelte er. »Ich muss einen Weg finden, diese Tür zu öffnen.«
    Er untersuchte sie genauer. Auf dem Türrahmen befand sich ein kleiner Kasten. Der Kasten verfügte über ein Fenster aus Glas, in dem scharlachrote Symbole so unheimlich funkelten wie der schwache Lichtschein hinter den Knochenbildern. Unter dem Fenster gab es zehn erhöhte Metallrechtecke. In jedes Rechteck war ein Symbol eingraviert, aber Beltan konnte nicht sagen, was sie zu bedeuten hatten. Welche Macht ihn auch immer in die Lage versetzte, die Sprache dieses Ortes zu verstehen, offensichtlich erstreckte sie sich nicht auf die Schrift. Andererseits waren seine Fertigkeiten im Schreiben auch auf Eldh nicht besonders gewesen. Lesen

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