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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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umgedrehte Ritter der Schwerter. Ein mächtiger Mann, aber seine Macht war gestohlen worden. Aber wer war er? Neben der Karte lag der Magier. Das war er – der süße Kahlkopf. Travis.
    Sie seufzte. »Ihm hättest du auch ein paar persönliche Gefallen getan, selbst wenn es sich um die Wahl zur Königin des königlichen Hofes gehandelt hätte, was, Mädchen?«
    Hitze stieg in ihr auf, die sich sofort in eine kühle Feuchtigkeit verwandelte. Es war nicht allein Verlangen. Es war dunkler, fremder und so viel verlockender. Sie hatte es in der Sekunde gespürt, in der sie ihn gesehen hatte: Sie liebte ihn und würde ihn niemals haben können.
    »Du kannst nicht immer das bekommen, was du willst, Marji, das weißt du. Dafür sind Wein und Kreditkarten da.«
    Aber wenn sie ihn nicht haben konnte, wer dann?
    Der Ritter der Schwerter. Er musste es sein – die Position machte das eindeutig klar. Und hatten sie nicht von einem Mann gesprochen, den sie retten wollten? Aber auf der anderen Seite des Magiers lag eine andere Hofkarte, die Königin der Schwerter. Wer also liebte ihn? Der Ritter oder die Königin? Dann wusste sie es.
    »Beide, Mädchen. Gott im Himmel, sie lieben ihn beide.«
    Aber wenn der Gefangene der Ritter war, wer war dann die Königin?
    Vor ihrem inneren Auge blitzte ein Bild auf: goldene Augen, die einen anderen intensiv anblickten, wenn scheinbar niemand zusah. Niemand außer Marji.
    Sie nickte. Geheimnis gelöst. Sie schnalzte mit der Zunge. »Du wirst alle Hände voll zu tun haben, Mr. Travis.«
    Sie lächelte, und der Ausdruck zeigte gleichermaßen Trauer als auch Erleichterung. Es schmerzte, sich etwas so Kostbares durch die Finger schlüpfen zu lassen. Aber das Wissen, dass es andere gab, die es dringender als sie brauchten, hatte eine heilsame Wirkung.
    »Es ist deine eigene Schuld, immer so anständig zu sein, Marji. Aber danke für den Kuss, Süßer. Ich werde ihn für immer in mein Herz einschließen.«
    Jetzt wurde sie gefühlsduselig. Keine gute Idee, wenn man so viel Mascara trug. Marji zwang die Tränen zurück und nahm das Kartenspiel auf. Es war an der Zeit, sie für sich selbst zu legen, und vielleicht würde es ihr dabei helfen, auf andere Gedanken zu kommen. Sie mischte, bis sie den Funken spürte, der sie wissen ließ, dass es reichte, dann drehte sie die erste Karte um.
    Ein grinsender Totenschädel starrte sie aus der schwarzen Kapuze des grimmigen Schnitters an.
    Marji erstarrte.
    Es ist nur ein Symbol, Mädchen. Veränderung, das Ende eines Kreislaufs, mehr bedeutet es nicht.
    Das besagten jedenfalls alle Tarotbücher; vielleicht auch nur, damit sich die Leute besser fühlten. Aber manchmal bedeutete die Karte auch genau das, was sie zeigte.
    Den Tod.
    Ein Kälteschauer erfasste sie, und diesmal war es nicht nur ihre Einbildungskraft und luftige Kleidung. Der Samtvorhang vor einem der Fenster bewegte sich, eiskalte Herbstluft wehte durch das Zimmer.
    Marji ging zum Fenster. »Ich dachte, ich hätte dich verschlossen. Marji muss heute wohl zu viel Nagellackentferner eingeatmet haben.« Sie schloss das Fenster und ging zurück in Richtung Tisch.
    Auf halbem Weg hörte sie es. Ein leises Schnauben. Es hörte sich fast so an wie ihr Onkel, nachdem er ein paar Whiskeys gekippt hatte und auf dem Sofa zusammengebrochen war.
    Marji erstarrte, als sie es hörte, dann fing sie sich und spitzte die Ohren. Das Schnauben wurde lauter. Dann hörte sie im Laden das Klirren zerbrechenden Glases.
    Ärger stieg in ihr auf. Da hatte also irgendein Trottel sich Zugang zu ihrem Laden verschafft und trampelte jetzt wie ein Büffel darin herum. Sie griff sich von einem Regalbrett eine Nagelfeile. Wer auch immer da draußen war, hatte Nerven. Die würde sie ihm ziehen.
    Marji ging an ein paar Türen vorbei einen Korridor entlang, bis sie den Perlenvorhang erreichte. Der Gestank traf sie wie ein Schlag; er war so stark, dass sie unwillkürlich blinzelte, aber die Tränen schossen ihr trotzdem in die Augen und ihr Mascara fing an zu laufen. Wer auch immer da drinnen war, es roch, als hätte er sich in einem Müllcontainer gewälzt, bevor er den Laden betreten hatte. Flach durch den Mund atmend teilte sie die Perlen.
    Ein feuchtes Grunzen ertönte, im Schatten zwischen zwei Regalen bewegte sich etwas Dunkles und Geschmeidiges. Ein kleiner Kopf mit niedriger Stirn blickte auf, blasse Augen starrten Marji an. Es machte eine anmutige, hüpfende Bewegung in ihre Richtung, ließ dabei Krallen die Regalbretter

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