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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Visitenkarte aus der Tasche, die ihr der hübsche, mürrische Bursche gegeben hatte. Sie wählte, hob den Hörer ans Ohr.
    Sie sprechen mit einem Pieper mit Satellitenverbindung, ve rkündete eine elektronische Stimme. Bitte nennen Sie die Telefonnummer, unter der man Sie zurückrufen kann.
    Nein, es war keine Zeit für Rückrufe. Sie würden einfach schlau genug sein müssen, um die Botschaft zu verstehen. Sie wusste nicht, was sie im Spiegel gesehen hatte, aber wenn sie es gesehen hatte, dann war es auch wichtig. Mit einem harten Fingernagel tippte sie hektisch auf die Tastatur ein.
    Etwas berührte ihren Knöchel. Marji ließ den Hörer fallen und stampfte mit dem Fuß auf. Eine Spinne fiel herunter. Ein weiterer Tritt, und sie wurde von ihrem Pfennigabsatz pulverisiert.
    Weitere Spinnen folgten. Dann war kein Platz mehr zum Zurückweichen da.
    »Der letzte Tanz, Marjoram«, flüsterte sie.
    Weitere Spinnen zerplatzten unter den Absätzen ihrer Schuhe, bis sie die ersten schmerzhaften Bisse spürte.

9
    Beltan duckte sich in die metallischen Schatten eines hohen Stapels Stahlkisten. Er legte den Kopf schief, lauschte. Da waren schnelle Schritte, widerhallende Stimmen, das Knallen sich schließender Türen. Seit über einer Stunde schlich er nun schon durch die dunklen, rechteckigen Gänge dieser Festung, ohne auf viel Aktivität zu stoßen. Dann, vor ein paar Minuten, hatte der Lärm begonnen. Etwas geschah.
    Vielleicht ist die Doktorin in den Raum zurückgegangen und hat dein leeres Bett gefunden, Beltan.
    Doch er hatte keinen Alarm gehört, und die Rufe aus der Ferne waren nicht voller Wut und Furcht. Sie hörten sich eher wie Befehle an.
    Es war kalt. Der dünne weiße Mantel, den er sich angeeignet hatte, bot keine Wärme, und er zog die Knie an die Brust. Er wusste, dass er sich besser wieder in Bewegung gesetzt hätte. Der Wächter, den er vor einer Minute gesehen hatte, war verschwunden, war gegangen, um seinen Gefährten bei der Aufgabe zu helfen, die sie auch immer zu erfüllen hatten. Aber er musste ausruhen, nur noch eine Minute. Obwohl in seinen knochigen Gliedern eine Kraft steckte, die er für unmöglich gehalten hatte, hatte ihn die einfache Handlung, sich leise zwischen Verstecken zu bewegen, so verschwitzt, schwach und am ganzen Leib zitternd wie ein neugeborenes Fohlen hinterlassen.
    Ein leises Schnattern ertönte.
    Sie hatte sich hinter ihm in der Ecke zusammengerollt, die langen Arme um den kleinen Kopf geschlungen, als würde sie ihn wiegen. Sie blickte ihn teilnahmslos an – ihre sanften braunen Augen waren voller Intelligenz und Schmerz. Die nackten Stellen auf ihren Armen schimmerten im schwachen Licht, verschorfte Schnitte markierten sie wie ein paar von Travis Wilders Runen.
    »Schon gut, Mylady«, flüsterte er. »Wir bleiben hier noch eine Minute sitzen.«
    Sie lehnte sich zurück, als hätte sie ihn verstanden.
    Und vielleicht tut sie es tatsächlich. Sie kannte das Geheimnis des Türschlosses. Und sie war in deinem Traun vom Grauen Land. Sie hat dich gerufen.
    Er wusste, dass es riskant und vielleicht sogar dumm gewesen war, die Schim-Pansi mitzunehmen. Aber er schuldete ihr sein Leben und seine Freiheit – ganz egal, wie lange beides noch andauerte. In einer Schublade hatte er ein Metallinstrument gefunden – sein Zweck blieb ihm verborgen, aber es sah aus, als könnte es, richtig geschwungen, ordentliche Schmerzen verursachen –, und er hatte es benutzt, um damit den Käfig zu öffnen. Die Schim-Pansi war mit steifen Beinen herausgekommen und hatte ihn umarmt, seinen dürren Körper mit den langen, kräftigen Armen umschlungen.
    Danach war sie ihm leise und schnell gefolgt, hatte anscheinend jede seiner Bewegungen vorausgeahnt. Zweimal hatte sie wilde Bewegungen gemacht, mit den langen Händen gewedelt, als er einen Korridor hatte betreten wollen, und jedes Mal hatte er, als sie zurückgewichen waren, Stimmen in ihre Richtung kommen hören. Beltan fragte sich, was sie mit ihr gemacht hatten. Und was sie mit ihm gemacht hatten. Die Schim-Pansi war nicht die Einzige, die Dinge zu wissen schien.
    Mehr als einmal hatte er, während er verstohlen durch die Festung geschlichen war, am ganzen Körper jenes Kribbeln verspürt, zusammen mit dem Gefühl von Gefahr. Jedes Mal hatte er die Schim-Pansi in ein Versteck geführt. Und jedes Mal war nur Augenblicke später einer der Wächter in Sicht gekommen, die mit dieser seltsamen Uniform aus schwarzen Stiefeln, engen schwarzen Hosen und

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