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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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ist so lange her. Und wer auch immer für meine Erinnerungen verantwortlich ist, es gibt sie schon lange nicht mehr; sie sind in die Vergangenheit eingegangen, wo sie hingehören.« Sanft schob sie Lirith von sich.
    Falkens Miene war nachdenklich. »Ja, Melia, das ist in der Tat alles lange her. Und doch scheint es für dich so real zu sein wie das, was heute geschieht.«
    Melia wandte sich ab. »Und manchmal sogar noch realer.« Sie sah ihn wieder an, und diesmal war ihr Blick klar. »Ich kenne den Auslöser für meine Trancezustände nicht, Falken. Sie kommen ohne Vorwarnung und sind genauso schnell wieder verschwunden. Aber ich weiß jetzt, dass ich nicht die Einzige bin.«
    »Was?«
    »Vergangene Nacht habe ich mich mit meinen Brüdern und Schwestern beraten. Das heißt, mit denen, die mit mir sprechen wollen. Wir sind wohl wie eine große, weit verzweigte Familie, und wie in jeder Familie gibt es jene, die nichts miteinander zu tun haben wollen. Vor allem jetzt nicht.«
    Lirith fragte sich, wie Melia mit den anderen Göttern sprechen konnte, ohne das Gasthaus zu verlassen. Aber konnte nicht jeder in stiller Andacht mit den Göttern sprechen? Man nannte es auch Gebet. Und Lirith hatte das Gefühl, dass Melias Gebeten etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde als denen der normalen Gläubigen.
    »Was meinst du, Melia?«
    Sie ging zum Fenster. Draußen spiegelte sich grelles Licht auf goldenen Kuppeln. »Ich bin es nicht allein. Viele der anderen Götter durchleben ihre Mysterien erneut. Und für sie ist die Erfahrung noch viel tiefer schürfend, denn ich bin keine Göttin mehr. Und die Götter schweigen nicht nur aus Furcht allein. Es ist Verwirrung. Viele Götter haben sich so tief in den Träumen der Vergangenheit verloren, dass sie nicht einmal mehr die Gebete ihrer höchsten Priester beantworten.«
    »Das würde helfen, das Chaos in der Etherion zu erklären«, sagte Lirith und dachte über Melias Worte nach. »Das klingt so, als würden die Priester nicht länger von ihren Göttern geführt. Das ängstigt sie. Und Angst macht die Menschen oftmals wütend und defensiv.«
    Melia glättete die Falten ihres weißen Kleides. »Meine Liebe, ich glaube, Ihr habt Recht.«
    Falken stieß einen Laut aus, der einem leisen Knurren ähnelte. »Also, sie ermorden nicht nur Götter, sondern sorgen auch dafür, dass die anderen Götter nichts dagegen unternehmen können, indem sie eine Art Zauber über sie verhängen, der sie in Träume von der Vergangenheit verstrickt. Aber wer könnte so etwas tun?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Melia, »aber es dauert schon zu lange, ohne dass sich der Kaiser dazu äußert. Mir ist egal, wen ich beeinflussen muss. Ich werde mich heute in den Ersten Kreis begeben und ihn aufsuchen.«
    Sie fanden Aryn und Durge im Wohnzimmer. Madame Vil hatte einen Krug gekühlten Margrasaft geschickt, und Durges pinkfarbenen Lippen nach zu urteilen, hatte der Ritter den Löwenanteil davon getrunken.
    »Was ist?«, fragte Aryn mit funkelnden Augen.
    Falken schenkte der jungen Baronesse ein wölfisches Grinsen. »Ich glaube, wir gehen den Kaiser besuchen.«
    Minuten später bahnten sie sich ihren Weg durch die dicht bevölkerten Straßen des Vierten Kreises und schlugen den Weg zur Hauptstraße von Tarras ein. Melia schritt energisch aus, und die Leute beeilten sich, ihr Platz zu machen. Lirith konnte es ihnen nicht verdenken. Man hätte sich eher einer Herde wilder Pferde in den Weg gestellt.
    »Wie seltsam«, sagte Aryn plötzlich.
    Lirith warf der jungen Baronesse einen fragenden Blick zu.
    »Dort drüben, an dem Springbrunnen.«
    Lirith folgte Aryns Blick. Auf der anderen Seite des Platzes planschten ein älterer Mann und eine Frau in dem sprudelnden Wasser eines großen, befliesten Brunnens herum; sie hatten die Gewänder bis über die knorrigen Knie geschürzt und kreischten vor Vergnügen. Zwei kleine Kinder standen mit verschränkten Armen davor, und ihre runden Gesichter drückten Missfallen aus.
    Lirith schüttelte den Kopf. »Aber das macht doch keinen Sinn.«
    »Ich weiß«, erwiderte Aryn mit einem Lachen. »Müsste das nicht genau anders herum sein? Ich glaube, die verwechseln was.«
    Aus irgendeinem Grund beunruhigten Lirith Aryns Worte. Wo hatte sie schon einmal etwas Ähnliches gehört? Dann fiel ihr der Weinhändler ein, der so verwirrt geschaut hatte, nachdem er den Wein auf die Straße gegossen hatte.
    Ich werfe alles durcheinander …
    Lirith verspürte einen Energiestoß. Etwas ging

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