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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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hier vor, etwas Wichtiges.
    Aryn fing an, die Stirn zu runzeln. »Schwester … was ist denn?«
    Lirith wollte antworten, aber eine Bewegung zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. In einer dunklen Gassenmündung standen zwei Männer. Münzen wechselten den Besitzer, dann trat einer der Männer mit einem Holzbecher in der Hand auf die Straße. Der Mann leerte den Becher und ließ ihn fallen, während er über den Platz ging. Er lehnte sich gegen eine Häuserwand und ließ sich neben einer Gruppe bereits sitzender Männer und Frauen zu Boden gleiten.
    Lirith bückte sich und hob den Becher auf, den der Mann weggeworfen hatte – der Becher, der mit Sicherheit Elixier der Vergangenheit enthalten hatte. Sie roch an dem Rest, dann hustete sie und warf den Becher fort. Sie hatte billigen Wein und eine Hand voll ganz gewöhnlicher, bitterer Kräuter gerochen – sonst nichts. In dem Trank lag keine Magie, nichts, das Menschen dazu veranlassen konnte, Visionen längst vergangener Dinge zu sehen.
    Aber wenn das so ist, was veranlasst sie dazu, in der Vergangenheit zu versinken?
    Sie betrachtete wieder die Mauer. Der Mann starrte jetzt genau wie die anderen mit leerem Blick in die Sonne; Fliegen krochen über sein Gesicht, während auf seinen purpurfarbenen Lippen ein stupides Lächeln lag.
    Eine Berührung am Arm ließ Lirith herumfahren. Aryn sah sie verwirrt an. Doch bevor sie etwas sagen konnte, trat Durge zu ihnen.
    »Myladys, Melia und Falken sind weitergegangen. Wir sollten nicht zurückbleiben.«
    »Aryn, Durge«, sagte Lirith in drängendem Tonfall. »Ist Euch seit unserer Ankunft in Tarras etwas Seltsames aufgefallen?«
    Der Ritter strich sich über den Schnurrbart. »Ihr meint außer sanitären Anlagen auf der Etage und Göttern, die ermordet werden?«
    Lirith zwang sich dazu, nicht aufzustöhnen. »Ja, Durge, außer diesen Dingen.«
    Aryn zuckte mit den Schultern, aber Durge nickte nach einem Augenblick.
    »Jetzt, da Ihr es erwähnt, Mylady, ich habe da einen Jungen gesehen. Es war im Vierten Kreis. Er weinte auf der Straße.«
    »Das ist doch nicht ungewöhnlich, Durge«, sagte Aryn. »Kinder weinen oft.«
    Der Ritter seufzte. »Vor allem, wenn ich in der Nähe bin. Aber dieses Kind hatte etwas Seltsames an sich. Es trug eine Priesterrobe. Eine Robe, die offensichtlich für einen Erwachsenen bestimmt war.«
    Trotz der warmen Luft verspürte Lirith ein Frösteln. Was hatte Durges Beobachtung zu bedeuten? Sie war sich noch nicht sicher, aber etwas wusste sie genau. Es waren nicht allein die Götter dieser Stadt, die sich im Netz der Zeit verfingen. Für ihre Anhänger – die Bewohner von Tarras – galt das Gleiche.
    Und für dich auch.
    Wieder musste sie an Corantha denken, und dunkle Erinnerungen stiegen in ihr auf. Sie verdrängte sie. Sie würde nicht zu einer Sklavin der Vergangenheit werden, so wie die Menschen, die dort an der Wand hockten.
    »Kommt schon«, sagte sie. »Wir sollten Melia lieber nicht warten lassen.«
    Sie hatten gerade zu dem Barden und der Lady aufgeschlossen, als Aryn das Wort ergriff – in Liriths Geist.
    Schwester, wir werden verfolgt.
    Lirith webte einen schnellen Faden zur Weltenkraft. Ja, da war er – wie ein Schatten, der ihnen folgte.
    Aryns Stimme ertönte erneut. Glaubst du, das ist der Mann, der dich töten wollte?
    Lirith tastete nach der Weltenkraft. Die Anwesenheit des Mannes im schwarzen Gewand hatte sie mit dem Gefühl drohender Gefahr erfüllt, aber dieser Schatten glich dem, auf den sie gelegentlich auf ihrer Reise in den Süden nach Tarras einen Blick erhascht hatte. Er erfüllte sie nicht mit Furcht, sondern eher mit Neugier.
    Sie dachte einen Augenblick lang darüber nach. Dann strich sie über Durges Hand und benutzte die Berührung, um ihren Lebensfaden in die Nähe von seinem zu bringen.
    Durge.
    Sie fühlte Überraschung und Entsetzen. Aber natürlich, als sie ihn das letzte Mal auf diese Weise berührt hatte, hatte sie ihm seine Erinnerungen gestohlen. Aber sie wollte ihm nur eine Botschaft zukommen lassen, und das ohne Worte, deren Austausch man sehen oder sie hören konnte. Sie ergriff seine Hand fester.
    Bitte, Durge. Nehmt die Hand nicht weg. Wir werden verfolgt. Links hinter uns. In dem Schatten hinter dem Stapel Tonkrüge. Seht Ihr ihn?
    Lirith formte mit der Weltenkraft das Bild für ihn, dann fühlte sie sein Verstehen. Sie ließ den Faden los und hörte neben sich ein Seufzen. Doch als sie Durge anblickte, war seine Miene bereits voller

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