Die letzte Rune 07 - Die schwarzen Ritter
Atemzüge tiefer und gleichmäßiger. Grace schlüpfte aus dem Zimmer und schloss hinter sich die Tür.
Die anderen waren um den Tisch im zentralen Raum der Villa versammelt – obwohl Beltan auf und ab ging, statt zu sitzen.
»Ich verstehe nicht, warum wir nicht sofort aufbrechen können«, sagte der Ritter gerade. »Wie weit ist das? Hundertsechzig Meilen? Wir könnten in drei Wochen da sein.«
»Du hast Himmel gehört«, erwiderte Falken und kratzte sich am Kopf. »Oder ihn gesehen, was das angeht. Er sagt, dass das, was wir im Schwarzen Turm finden werden, vor dem Wintersonnenwendtag nicht da sein wird. Vielleicht wird der Schlüssel bis dahin auch gar nicht funktionieren. Wenn wir jetzt gehen, könnten wir am Ende dort wochenlang herumsitzen. Und das war schon ein raues Land, bevor man den Schwarzen Turm verlassen hat. Es wäre nicht gerade ein sicherer Ort, um dort so lange zu lagern.«
Beltan ballte die Fäuste. »Aber Travis und die anderen könnten verwundet sein, oder sie verhungern. Sie könnten sterben, während sie auf uns warten.«
»Du redest Unsinn, mein Lieber«, sagte Melia liebevoll und berührte den Arm des Ritters. »Bestimmt würde Himmel uns nicht instruieren, unsere Reise zu verschieben, wären die anderen dort und würden unsere Hilfe brauchen.«
»Warum ausgerechnet nur dieser Ort?«, murmelte Aryn. Der Blick der Baronesse schien nach innen gerichtet zu sein. »Warum müssen wir zum Turm der Runenbrecher reisen? Und warum jetzt? Das kann nicht gut sein. Niemals.«
Grace starrte die junge Hexe an. Warum war Aryn über die Neuigkeit so aufgebracht? Grace wollte sie darauf ansprechen …
… und es klopfte an der Eingangstür.
Einen Augenblick lang waren alle zu überrascht, um zu reagieren. Das Klopfen ertönte erneut; es war hart und dringend. Dann war Beltan mit drei Schritten an der Tür und riss sie auf.
Der Mann auf der Schwelle war kein kaiserlicher Beamter; er trug weder den Bronzeharnisch noch den Lederrock der tarrasischen kaiserlichen Soldaten. Er war mit einem Kettenhemd über einem grauen Wams und einer Hose bekleidet, sowie einem waldgrünen, mit Schlamm bespritzten Umhang. Der Mann nahm die Hand gerade noch rechtzeitig herunter, um Beltan nicht auf die Brust zu klopfen. Erst als sich ein Grinsen auf seinem attraktiven Gesicht ausbreitete, wurde Grace klar, dass sie ihn kannte. Der Mann war nicht so groß wie Beltan, aber wohlgeformt. Und mit dem kurz geschnittenen, wilden roten Haar und dem roten Spitzbart am Kinn konnte er nur …
»Sir Tarus!«, rief Beltan aus.
Der blonde Ritter riss den anderen Mann in eine stürmische Umarmung, zerrte ihn über die Schwelle und in die Villa hinein. Der Rothaarige schien zu zögern, aber dann erwiderte er die Geste.
Schließlich ließ Beltan ihn los. »Beim Schwanz von Vathris’ Stier, Ihr stinkt, Sir Tarus.«
Der junge Mann lachte und kratzte sich den Bart, als würde er darin nach unwillkommenen Störenfrieden graben. »Seit einer Woche reite ich so schnell, wie ich kann, Sir Beltan. Und ich fürchte, es war nicht viel Zeit für Annehmlichkeiten wie Baden oder Schlafen. Ich wollte Euch warnen, aber …«
»… aber wie gewöhnlich hat sich Sir Beltan von seiner Begeisterung mitreißen lassen«, sagte Melia und glitt heran. »Natürlich ist in Eurem Fall leicht zu verstehen, warum das so ist, Sir Tarus.«
Die Wangen des Ritters nahmen die blutrote Farbe seines Bartes an. Er verneigte sich vor Melia, sein Kettenhemd klirrte.
Grace erinnerte sich an das erste und einzige Mal, dass sie Sir Tarus begegnet war. Es war früher in diesem Jahr gewesen, auf der Reise zum Grauen Turm. Sie waren Tarus und Beltan begegnet, die zusammen mit den anderen Rittern des Ordens von Malachor in den Wäldern im Westen Calavans patrouillierten. Insgeheim hatte sie den Verdacht gehabt, dass Tarus und Beltan Liebhaber gewesen waren, zumindest eine Weile lang. So unbeholfen sie auch war, wenn es darum ging, die Gefühle anderer zu verstehen, konnte selbst sie es jetzt sehen, als sich Tarus wieder aufrichtete und Beltan ansah – mit einem scheuen Blick.
Aber sein Lächeln war stark und ehrlich, und – fand Grace – verriet keinerlei Anzeichen eines gebrochenen Herzens. Vermutlich fiel es einem so gut aussehenden Mann wie Tarus nicht schwer, einen anderen zu finden, der sein Bett wärmte. Aber es war mehr als das. Bei ihrer letzten Begegnung hatte sich Tarus durch eine jungenhafte Überschwänglichkeit ausgezeichnet – sie konnte sie
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