Die letzte Rune 07 - Die schwarzen Ritter
mit Wasser verdünnten Wein, und er gehorchte. Der Alkohol würde als mildes Sedativum wirken, und er würde auch gegen mögliche Bakterien im Wasser helfen. Das Letzte, was Himmel jetzt brauchte, war eine Sekundärinfektion.
Nachdem Himmel ihr die leere Tasse zurückgegeben hatte, machte er Zeichen mit den Händen, und wie immer war die Bedeutung der Gesten auf seltsame Weise klar.
»Du willst die Kutte zurück?«, fragte Grace. »Aber ich fürchte, davon ist nicht mehr viel übrig.«
Doch Himmel zeigte erneut, und sie hob die Fetzen vom Boden auf und gab sie ihm. Er durchsuchte das Kleidungsstück, dann ließ er es wieder zu Boden gleiten. In der Hand hielt er einen Schlüssel. Der Schlüssel war groß und schien aus schwarzem Eisen geschmiedet zu sein. Er hielt ihn Grace hin.
Ihr müsst ihn nehmen, Mylady. Ihr müsst ihn nehmen und Euch dorthin begeben.
Falken rieb sich mit der behandschuhten Hand das Kinn. »Aber wohin sollen wir gehen? Was öffnet der Schlüssel, Himmel?«
Der junge Mann zuckte mit den Schultern und ließ die Decke von der linken Schulter rutschen. Er zeigte auf die Tätowierung über seinem Herzen – die Tätowierung des Schwarzen Turms.
Der Barde stieß eine Verwünschung aus. »Bei allen Alten, das ist der Schwarze Turm, nicht wahr? Du willst, dass wir uns dorthin begeben. Der Turm der Runenbrecher.«
Himmel nickte. Aryn schlug die Hand vor den Mund, aber es war zu spät, um ein Aufstöhnen zu unterdrücken. Grace sah sie an. Warum verstörten Himmels Worte die junge Hexe so? Da war etwas mit den Runenbrechern – etwas, das die Baronesse wusste und Grace nicht erzählt hatte. Aber was?
Es würde warten müssen. Grace kniete neben dem Sofa nieder und nahm Himmels Hand. »Ich verstehe nicht. Ich glaubte, man hätte den Schwarzen Turm vor Jahrhunderten aufgegeben, dass es keine Runenbrecher mehr gibt. Warum sollten wir dorthin reisen?«
Er drückte ihr den Eisenschlüssel in die Hand. Um zu finden, was verloren gegangen ist.
Grace erstarrte. Vielleicht, nur vielleicht verstand sie, was er meinte. Falken hatte ihr die Geschichten erzählt: wie die Runenbrecher vor langer Zeit aus Falengarth verschwunden waren und wie die Angehörigen der beiden anderen Runenorden – die Runenbinder und Runensprecher – sich gegen sie gewandt hatten, wie sie die Runenbrecher dafür verantwortlich gemacht hatten, dass das Volk alle Zauberer und Magiekundigen hasste und fürchtete.
Aber einen Runenbrecher gibt es noch, nicht wahr, Grace?
Beltan kam ihr zuvor. »Travis. Es ist Travis, stimmt’s? Irgendwie ist er da, zusammen mit den anderen, im Schwarzen Turm. Wir müssen sie dort finden.« Der große Ritter setzte sich in Richtung Tür in Bewegung, als wollte er auf der Stelle zu dieser Reise aufbrechen.
Himmel hielt eine Hand hoch. Wartet.
»Was ist, Himmel?«, fragte Melia leise.
Er zeigte erneut auf die Turm-Tätowierung, dann ballte er beide Hände zu Fäusten und drehte sie mehrmals umeinander. Bei dem Punkt, an dem sie in dem Kreis am weitesten voneinander entfernt waren, hielt er inne.
Da kam auch Grace nicht mehr mit. »Ich verstehe nicht. Was meinst du?«
»Ich glaube, ich weiß, was er meint«, sagte Falken. »Der Tag der Wintersonnenwende. Dann sollen wir den Schwarzen Turm betreten.«
Natürlich. Wenn die Sonne scheinbar am weitesten von Eldh entfernt war. »Aber warum?«, fragte Grace. »Warum ihn erst zur Wintersonnenwende betreten und nicht sofort?«
Wieder gestikulierte Himmel. Weil man das, was verloren ging, dann wiederfinden kann.
Falken fing an, noch mehr Fragen zu stellen, aber der junge Mann blinzelte, und er sank zurück auf das Sofa. Augenblicklich verdrängten Graces medizinische Instinkte jegliches Verlangen, mehr über Himmels mysteriöse Botschaft zu erfahren.
»Er ist erschöpft«, verkündete sie. »Ihr könnt später mit ihm reden. Im Moment braucht er Ruhe.«
Falken fing an zu protestieren, aber Grace warf ihm einen Blick zu, der so durchbohrend wie die spitze Nadel einer Spritze war, und der Barde machte einfach den Mund zu. Nachdem die anderen gegangen waren, strich Grace Himmel das Haar aus der Stirn. Sie hatte selbst viele Fragen. Aber die konnten warten. »Alles in Ordnung?«
Er schenkte ihr ein schwaches Lächeln, dann ergriff er ihre Hand und drückte ihre Finger fester um den Eisenschlüssel.
Jetzt schon, Mylady. Jetzt schon.
Sie erwiderte das Lächeln, aber er hatte bereits die Augen geschlossen, und wenige Augenblicke später wurden seine
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