Die letzte Rune 08 - Das Schwert von Malachor
durchsuchten, fanden sie außer dem Runenstein so gut wie nichts. Travis hatte keine Ahnung, wie lange es her war, dass die Runenbrecher verschwunden waren, aber dem Staub und den Spinnenweben nach zu urteilen, war der Turm vor mehr als einem Jahrhundert aufgegeben worden. Aber wo waren sie hin? Die Runenbinder hatten sich durch ihren dummen Stolz selbst zerstört, aber das schien hier nicht der Fall zu sein. Der Turm war leer, so als hätten die Runenbrecher alles mitgenommen. Das deutete nicht auf einen hastigen oder gewaltsamen Aufbruch hin.
Der Runenstein selbst gab keine Antwort auf dieses Geheimnis; er war vor langer Zeit entstanden, zur Zeit Malachors. Trotzdem erfuhr Travis viel, indem er ihn studierte, und das Wissen, das er erlangte, versetzte ihn in Erregung und machte ihm zugleich Angst. Kein Wunder, dass die Hexen den Runenbrecher fürchteten. Aus dem, was Travis las, ergab sich zweifellos, dass die Runenbrecher der bei weitem mächtigste der drei Orden der Runenmagie waren.
Und doch haben sie mit dieser Macht nicht versucht, die Domänen unter Kontrolle zu bringen. Sie hätten eine Festung mit einer einzigen Rune zu Fall bringen können. Sie hätten sämtliche Wassermoleküle in einem See in Wasserstoff und Sauerstoff spalten können, und mit einem Funken hätten sie eine verheerende Explosion auslösen können. Es ist genau, wie Jack sagte. Sie hätten den Himmel selbst zerbrechen können.
Aber die Rune des Himmels konnten Travis und seine Gefährten nicht finden. Oder eine der anderen gebundenen Runen, die Rune der Zeit eingeschlossen. Sie durchsuchten jeden Raum, wieder und wieder. Durge und Sareth tasteten jede Wand ab auf der Suche nach geheimen Verstecken. Lirith versuchte mit der Macht der Weltenkraft zu suchen. Und Travis wagte es, die Rune Sar zu flüstern und von den Steinen des Turms selbst Hilfe zu erbitten.
Es war sinnlos. »Sie ist nicht hier«, sagte Travis, als sie sich um das Lagerfeuer versammelten und den Rest ihrer Lebensmittel verzehrten. Er sah nacheinander Durge, Lirith und Sareth an und erwiderte ihre grimmigen Blicke. »Wir müssen es akzeptieren, wir werden sie nicht finden.«
»Nun«, sagte Lirith munter, »es war einen Versuch wert. Vielleicht wird es ja gar nicht so schrecklich sein, in diesem Jahrhundert leben zu müssen.«
Sareth drückte ihre Hand. »Das wird es auch nicht, solange du da bist, Beshala.«
»Aber wir müssen nicht alle hier bleiben, oder?«, fragte Durge mit leiser Stimme und nachdenklichem Blick. Er hielt etwas in den Händen; überrascht erkannte Travis, dass es sein silbernes Deputy-Abzeichen war. »Hat Sir Tanner nicht gesagt, dass Castle City einen neuen Sheriff braucht? Und hat Lord Graystone nicht behauptet, dass Sinfathisar einen von einer Welt zur anderen schicken kann?« Er schaute auf und erwiderte Travis’ Blick.
Furcht wallte in Travis auf, und es war nicht nur der Gedanke, dass Durge eine Welt weit weg war. Der Ritter wusste ja nicht, was er da verlangte. Travis wollte ihm erklären, dass er das nicht tun konnte, dass er es nicht wagte, den Stein zu benutzen. Nicht jetzt, nachdem das Blut des Skarabäus in seinen Adern floss.
Aber bevor er etwas sagen konnte, zerbrach krachend ein Stück Holz, und die Wand des Turms warf das Echo zurück. Sie alle drehten sich um und erblickten einen Mann, der auf ihr Feuer zukam. Sie waren alle so schockiert, in dieser Wildnis einen anderen Mann zu sehen, dass sie ihn bloß anstarren konnten.
Er war klein und muskulös, und einen Augenblick lang hielt Travis ihn für einen der beiden Bauernsöhne, der gekommen war, um sie erneut zu berauben. Dann war der andere näher heran. Er war ein junger Mann mit einem unscheinbaren, fröhlichen Gesicht, mit einer breiten, schiefen Nase und dicken Lippen. Er trug eine einfache braune Kutte und hielt etwas in den Händen. Es war im schwindenden Licht schwer zu erkennen.
Travis stand auf, als der junge Mann ein paar Schritte entfernt stehen blieb. Das war unmöglich; er konnte unmöglich hier sein. Das letzte Mal hatte Travis ihn im Grauen Turm gesehen, hundert Meilen und hundert Jahre von diesem Ort, dieser Zeit, entfernt. Trotzdem war er hier.
»Himmel?«, sagte Travis.
Der junge Mann grinste, und das Grinsen enthüllte den dunklen Stummel seiner fehlenden Zunge. Er hielt den Gegenstand hoch, den er getragen hatte. Es war eine Scheibe aus cremig weißem Stein, darauf war ein Symbol eingraviert: zwei Dreiecke, die sich an der Spitze berührten.
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