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Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters

Titel: Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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war ein massiver Ring aus schwarzem Stein, dessen Durchmesser der Armspanne eines Mannes entsprach. Er ruhte auf einem Holzpodest, und man hatte ihn dort auf solch durchdachte Weise befestigt, dass man ihn mit einer vergleichsweise geringen Anstrengung drehen konnte; der Steinring stand aufrecht, wie ein Fensterrahmen ohne Glas.
    Aryn hatte das Artefakt über ein Jahr nicht mehr angesehen – nicht seit dem Fest der Wintersonnenwende, als sie auf Graces Drängen hin dabei geholfen hatte, das Artefakt auszurichten, und es hatte Lord Logren das Eisenherz aus der Brust gerissen. Denn das war die Macht des Artefakts, das aus einem gewaltigen Magnetstein gefertigt worden war, der vor Jahrtausenden vom Himmel gefallen war.
    Auf königlichen Befehl holte man sämtliche Schlossbewohner zusammen – von dem geringsten Diener bis zum ranghöchsten Adligen – und ließ sie vor dem Artefakt hergehen. Wachen standen daneben, bereit, jeden zu zwingen, der sich weigerte – auch wenn sie wegen der Macht des Artefakts weder eine Rüstung tragen noch Schwerter halten konnten.
    Die Stunden vergingen, und die schräg einfallenden Strahlen der Sonne schlichen über den Saalboden, und Aryn wurde es müde, neben Boreas zu stehen. Aber der König rief nicht nach Stühlen, sondern stand steif da und sah schweigend zu, wie seine Untertanen vorbeimarschierten. Die einzige Aufregung kam durch jene, die sich nicht an die Anordnungen gehalten und sämtliches Metall vom Körper entfernt hatten. Mehr als einmal waren die Wachen gezwungen, die Hand eines jammernden Grafen zu ergreifen und vom Stein zu ziehen, weil er vergessen hatte, die Ringe abzunehmen.
    Am Nachmittag war Aryn so gelangweilt, dass sie gar nicht mitbekam, wie der Aufruhr seinen Anfang nahm. Sie blinzelte, als ein Schrei ertönte, dem der gebellte Befehl eines Wächters folgte. Ein Mann wollte aus dem Großen Saal flüchten, aber die Wachen ergriffen ihn und zerrten ihn auf das Artefakt zu. Er sah wie ein ganz normaler Diener aus – klein, mit pockennarbigem Gesicht, einfach gekleidet. Aber er wehrte sich verzweifelt und bezwang beinahe drei Männer.
    »Lasst mich los!«, kreischte er, und Speichel spritzte aus seinem Mund. »Lasst mich los, oder mein Meister wird euch alle vernichten!«
    König Boreas trat einen Schritt vor; der Ausdruck auf seinem Gesicht wirkte neugierig und gefährlich zugleich. »Und bin nicht ich dein Meister, Knappe?«
    Der Mann stand still Er starrte den König an, dann verzog er die Lippen und gab den Blick auf die verfaulten Zähne frei. »Du wirst sein Sklave sein, eine Puppe, die er nach Belieben benutzt und zerbricht.«
    Der Hass in der Stimme des Mannes ließ Aryn erschaudern, aber Boreas Gesicht hätte genauso gut aus Marmor gemeißelt sein können. Er gab den Wachen ein Zeichen, aber der Mann riss sich aus ihrem Griff los, bevor sie handeln konnten. Er wirbelte herum, rannte los …
     … und hielt direkt auf das Artefakt zu.
    »Meister!«, stieß er hervor.
    Sein Körper bäumte sich einmal ruckartig und mit ungeheurer Wucht auf. Ein dunkler Klumpen brach inmitten einer Flut aus Blut und Knochen aus seiner Brust und flog zur Mitte des Steinrings. Die Zuschauer starrten. Der einzige Laut war der dumpfe Aufschlag der Leiche, die zu Boden fiel.
    Der König kehrte an seinen Platz zurück. »Beendet die Prozession«, befahl er den Wachen.
    Die letzten Burgbewohner eilten an dem Artefakt vorbei und blickten mit bleichen Gesichtern auf den zusammengebrochenen Toten zu ihren Füßen. Dann war es endlich vorbei.
    Boreas trat an die Leiche. »Hier ist unser erfolgloser Mörder. Das Artefakt wird jetzt in die Eingangshalle gebracht, und jeder, der das Schloss betritt, muss daran vorbeigehen. Sämtliche anderen Eingänge werden versiegelt. Von jetzt an wird kein Sklave des Fahlen Königs mehr diese Festung betreten können.« Er sah Aryn an. »Ist das nicht richtig, Mylady?«
    Aryn wollte den Blick von der Leiche wenden, konnte es aber nicht. Dieser Mann war ein Werkzeug des Bösen gewesen; bestimmt hatte er gegen den König Pläne geschmiedet. Aber etwas sagte ihr, dass das nicht der Mann gewesen war, der dem Prinzen Gift in den Pokal getan hatte.
    Sie konnte nur sagen: »Das ist richtig, Euer Majestät.«
    Später an diesem Nachmittag stattete Aryn Prinz Teravians Gemächern einen Besuch ab, um nach ihm zu sehen und ihm zu erzählen, was sich im Großen Saal zugetragen hatte.
    »Wie geht es unserem Patienten?«, fragte sie, als Sareth die Tür

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