Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters
Boreas und Lady Aryn begrüßen, und vermutlich klebt noch der Haferbrei vom Frühstück an meinem Schnurrbart.«
Grace lachte. »Nein, Durge. Ihr seid absolut perfekt.«
Diese Behauptung schien den Ritter zu verblüffen. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder, warf ihr einen eigentümlichen Blick zu und trieb dann das Pferd an, um zu Falken aufzuschließen.
»Was hast du ihm gesagt?«, sagte Travis und kam näher heran. »Er sieht aus, als hätte gerade sein Verstand ausgesetzt.«
»Ich habe ihm die Wahrheit gesagt.«
»Das reicht«, sagte Travis mit einem Nicken, »ich habe mich immer darüber beschwert, dass mir keiner sagt, was eigentlich los ist. Aber dann hat man es getan, und ich erkannte, dass ich viel glücklicher war, als ich es nicht wusste.«
»Und würdest du wieder so sein wollen? Unwissend?«
Travis lächelte, aber in seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie nicht genau deuten konnte. War es Trauer oder Resignation? Sein Haar wuchs wieder so dicht und rot wie sein Bart. Nachdem Krondisar ihn im Sommer vernichtet und neu erschaffen hatte, hatte er angefangen, sich den Kopf zu rasieren, da er sich als ehemaliger Blonder nicht mit seiner neuen roten Haarfarbe anfreunden konnte. Aber seit dem Schwarzen Turm hatte er es wieder wachsen lassen. Es war, als würde es ihn nicht länger stören, auch äußerlich mit dem konfrontiert zu werden, was er wirklich war. Und vielleicht bedeutete das, dass er ihre Frage doch beantwortet hatte.
Travis schaute zu dem Schloss hoch und hockte dabei wie ein Sack Kartoffeln im Sattel. Nach den unzähligen Meilen war er noch immer ein furchtbarer Reiter. Grace saß kerzengerade auf ihrem Pferd und hob und senkte sich in seinem Trab, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Natürlich waren die Pferde ein erst kürzlich erworbener Luxus. Die meiste Zeit waren sie zu Fuß gegangen. Grace, Falken, Beltan und Vani hatten keine Pferde gehabt; sie waren mit dem Elfenschiff den Fluss Farwander so weit hinaufgefahren, wie es ging, um dann den restlichen Weg zum Schwarzen Turm zu Fuß zurückzulegen. Und die Pferde, die Travis, Durge, Lirith und Sareth geritten waren, waren über ein Jahrhundert in der Vergangenheit zurückgeblieben.
Vom Schwarzen Turm der Runenbrecher bis nach Calavere waren es fast hundert Meilen. Die Vorstellung, den ganzen Weg marschieren zu müssen, hatte Grace mit Verzweiflung erfüllt, aber da ihnen keine andere Wahl geblieben war, waren sie am Wintersonnenwendtag zu Fuß aufgebrochen, und zu ihrer aller Überraschung waren sie gut vorangekommen. Vielleicht zu gut. Nachdem sie jeden Abend ihr Lager aufgeschlagen hatten, hatte Falken nach Marksteinen Ausschau gehalten, und seiner Schätzung nach hatten sie mehr Meilen zurückgelegt, als möglich erschien.
»Da stimmt etwas nicht«, sagte Falken am dritten Abend ihrer Reise, und Grace stimmte ihm zu. Sie hielt den Blick unterwegs auf einen fernen Hügel gerichtet, um ihr Vorankommen abschätzen zu können. Dann kamen sie durch einen Hain oder stiegen in eine Schlucht hinab, und wenn sie den Hügel wieder erblickte, ragte er vor ihr auf, so als hätten sie die dazwischenliegenden Meilen mit einem großen Sprung überbrückt, während sie nicht hinsah.
»Das ist unmöglich«, hatte Beltan nach einem derartigen Vorfall gesagt und sich am Kopf gekratzt, und Tira hatte gelacht, als hätte sie einen tollen Witz gehört.
Grace hatte Tira angesehen, aber das Mädchen hatte bloß den Kopf über den halb verbrannten Tannenzapfen gebeugt, den sie aus einem Lagerfeuer gezogen und mit einem Fetzen umwickelt hatte, so als wäre er eine Puppe.
Bald ließen sie die wilden Ausläufer der westlichen Fal Sinfath hinter sich und bewegten sich an der Grenze von Brelegond entlang. Mehrere Male sichteten sie einen Trupp aus Rittern in schwarzer Rüstung auf schweren Schlachtrössern, deren Schilde mit einem silbernen Turm und einer roten Krone versehen waren. Durge und Beltan zogen jedes Mal die Schwerter, Vani verschwand in den Schatten, und Grace und Lirith webten mit der Gabe Trugbilder, um das Auge zu täuschen.
Sie hätten sich die Mühe sparen können. Bei jeder Gelegenheit ritten die Ritter weiter, ohne auch nur in ihre Nähe zu kommen. Der Runenmeister Kelephon, den die schwarzen Ritter als ihren Oberbefehlshaber Gorandon kannten, wollte sowohl Graces Blut als auch das magische Schwert Fellring in seinen Besitz bekommen, das er ihr im toten Königreich Toringarth nicht hatte entreißen können. Was
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