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Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters

Titel: Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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ohne Rüstung, der trotzdem die Haltung eines Ritters hatte.
    Travis warf Grace einen Blick zu. »Anscheinend hat jemand im Schloss von unserem Kommen gewusst.«
    »Kein Wunder, dass der Mann floh«, sagte Beltan mit einem Grinsen. »Ich bezweifle, dass er damit gerechnet hat, dem König zu begegnen.«
    Falken kratzte sich am Bart. Er hatte ihn auf der Reise wachsen lassen; er war zur Hälfte silbergrau. »Ich vermute mal, er hat ohne Erlaubnis auf den königlichen Gütern gejagt. Dann kommt er zum Schlosstor und sieht den König auf sich warten. Ein Blick, und der arme Kerl dreht sich um und ergreift die Flucht.«
    Grace nickte. König Boreas hatte diese Art von Wirkung auf seine Mitmenschen. Sie selbst eingeschlossen. Die anderen Bauern rannten nicht weg, aber sie waren alle auf der Stelle stehen geblieben und knieten im Schlamm.
    »Sagen wir Hallo«, meinte Beltan.
    »Wartet einen Augenblick.« Durge stieg aus dem Sattel, hob etwas aus dem Schlamm auf und schwang sich wieder auf sein Pferd. »Ich glaube, das hier hat dieser Bauer verloren.« Er hielt einen kleinen Lederbeutel von der Größe eines Geldbeutels hoch.
    »Das könnten seine Lebensersparnisse sein«, sagte Lirith. »Er könnte dafür arbeiten, seine Freiheit zu erkaufen.«
    »Glaubst du wirklich, Beshala?«, fragte Sareth besorgt. »Dann wäre es ein Verbrechen, es ihm nicht zurückzugeben.«
    »Dem stimme ich zu«, grollte Durge. Aber der Bauer war verschwunden.
    »Ihr könnt es ihm ja später zurückgeben«, sagte Beltan. »Ich finde nicht, dass wir meinen Onkel warten lassen sollten.«
    »Oder Melia«, sagte Falken.
    Sie trieben die Pferde an. Graces Herz tat einen Sprung, als sie die Gesichter ihrer Freunde sah. Aryn sah schöner denn je zuvor und auch älter aus. Sie stand neben Melia, die so majestätisch und alterslos wie immer wirkte, obwohl sie in einem Ausbruch jugendlicher Aufregung in die Hände klatschte, als die Reiter näher kamen. Sir Tarus grinste breit, und sogar König Boreas sah überaus glücklich aus, wie das Lächeln verriet, das aus dem dichten Bart hervorblitzte.
    Der Einzige, der nicht lächelte, war der schlanke junge Mann in Schwarz. Grace hatte ihn noch nie zuvor gesehen, trotzdem erkannte sie ihn. Teravian würde niemals so kräftig wie sein Vater sein, der König von Calavan, und seine Züge waren feiner, aber sein Gesicht trug den gleichen scharfen, zwingenden Ausdruck. Doch im Augenblick schaute er bloß mürrisch drein. Er stieß einen gelangweilten Seufzer aus, wandte den Kopf – und verharrte. Mit leuchtenden Augen starrte er Lirith an.
    Sie hielten ihre Pferde an. Grace wartete nicht darauf, dass Durge ihr beim Absteigen half, sondern ließ sich aus dem Sattel rutschen und stürmte los.
    »Aryn!« Sie riss die Baronesse in die Arme. Die junge Frau erwiderte die Umarmung mit ihrem linken Arm.
    »Grace, du bist da … du bist wirklich da!«
    Über weite Distanzen durch die Weltenkraft zu sprechen war wunderbar gewesen, aber hiermit konnte es nicht mithalten – die echte, lebendige Berührung von jemandem, den sie liebte.
    Grace war sich bewusst, dass sich die anderen um sie drängten. Falken schlang die Arme um Melia und wirbelte sie herum, und Melia lachte doch tatsächlich. Boreas' dröhnende Stimme erscholl, und aus den Augenwinkeln sah Grace, wie Sir Tarus zuerst zögerte und dann freudig Beltans Arme ergriff.
    So lange waren sie getrennt gewesen, verloren in verschiedenen Ländern und auf verschiedenen Welten. Jetzt befanden sie sich endlich wieder da, wo sie hingehörten – hier, an diesem Ort. Für diesen einen Augenblick gab sich Grace dem Glauben hin, dass sie niemals wieder getrennt sein würden.
    Schließlich löste sie sich zögernd von Aryn und wandte sich um, damit sie den König begrüßen konnte.
    »Es ist auch Zeit, dass Ihr Euren Gehorsam erweist, Mylady«, sagte Boreas mit einem Schnauben, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Ich grüße Euch, Euer Majestät.« Grace machte einen Hofknicks und schaffte es, dabei kaum zu schwanken. Als sie sich wieder erhob, sah sie erstaunt, dass das Lächeln des Königs verschwunden und von einem nachdenklichen Ausdruck abgelöst worden war. »Was ist, Euer Majestät?«
    »Nichts«, sagte er mit barscher Stimme, »ich bin mir nur nicht sicher, ob Ihr es seid, die hier den Gehorsam erweisen sollte. Euer Majestät.« Er machte Anstalten, als wollte er vor ihr knien.
    Grace starrte ihn voller Entsetzen an. Boreas war so mutig, so stolz. Er war ein König, und

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