Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters
wir damit alles machen können, Hadrian, was wir lernen können. Wir haben erst letztes Jahr erfahren, dass die Fälle Graystone und Beckett zusammenhängen. Welche anderen Verbindungen werden wir finden, wenn wir den Zugang zu allen Fällen der Sucher haben?«
Farr zuckte zusammen, und Deirdre wusste, dass ihre Worte ihn getroffen hatten. Es war gemein, Dr. Grace Beckett zu erwähnen – die er liebte und die jetzt eine Welt weit weg war. Aber das war Deirdre egal; er musste ihr zuhören.
»Wenn uns die Philosophen wirklich für ihre Marionetten halten«, sagte sie, »dann sind sie schiefgewickelt. Wir werden wieder in den aktiven Dienst aufgenommen und …«
Er zog seine Hand zurück. »Ich werde meine Arbeit bei den Suchern nicht wieder aufnehmen, Deirdre. Ich trete noch heute aus der Organisation aus.«
Das war lächerlich. Sie starrte ihn böse an. »Sie können nicht kündigen, Hadrian. Ich weiß es; ich habe es einmal versucht. Und Sie waren es, der mir gesagt hat, dass man die Sucher nicht verlassen kann.«
»Anscheinend habe ich mich da geirrt.«
Deirdre konnte kaum glauben, was sie da hörte.
Farrs Gesicht war verkniffen, aber nicht unsympathisch. »Es tut mir Leid, Deirdre, wirklich. Ich weiß, dass es schwierig ist. Aber Sie müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass wir ihn verloren haben.«
»Was haben wir verloren?«
»Unseren Glauben.«
Sie lehnte sich zurück und starrte ihn an, als hätte er sie geschlagen. In all den Jahren, die sie ihn kannte, hatte Farr niemals an seiner Suche nach anderen Welten gezweifelt, hatte nie aufgehört, an sie zu glauben. »Ich begreife das nicht. Sie waren da, Hadrian, auf dem Highway nach Boulder. Sie haben es mit eigenen Augen gesehen.«
»Sie haben mich missverstanden. Ich habe nicht meinen Glauben an andere Welten verloren. Ich habe den Glauben an die Sucher verloren. Und nach all dem zu urteilen, was Sie sagen, haben Sie das auch.«
Sie suchte nach Worten, fand aber keine.
»Beobachten – Warten – Glauben … das war unser Motto. Wir dachten, wir müssten lediglich die Augen offen halten und geduldig sein, dann würde es eines Tages passieren. Eines Tages würden die Philosophen alles enthüllen, und uns würde sich die Tür öffnen. Nun, die Tür hat sich geöffnet, aber es waren nicht die Philosophen, die dafür gesorgt haben.« Er lachte, und die Kälte, die darin lag, ließ sie frösteln.
»Hören Sie auf damit, Hadrian.«
»Ich habe immer geglaubt, die Philosophen wüssten alles – dass sie unfehlbar wären. Aber wie sich herausstellt, sind sie das nicht. Sie machen Fehler, wie wir alle. Glauben Sie, unsere Mission in Denver ist auch nur annähernd wie geplant verlaufen?«
»Ich sagte, hören Sie auf damit.«
»Wir müssen nicht ihre Spielzeuge sein, Deirdre. Und wir brauchen weder sie noch die Magie ihrer kleinen Plastikkarten, um die Suche weiter …«
»Hören Sie auf!«
Sie schlug mit der Hand auf den Tisch. Bier schwappte über, Gäste drehten die Köpfe. Deirdre duckte sich tiefer in die Schatten der Nische; die Blicke wandten sich wieder von ihr ab.
Farr betrachtete sie mit hochgezogener Braue. Sie holte Luft und beschwor die Geister, ihr Kraft zu gewähren. Sie würde sie brauchen.
»Denken Sie nicht mal dran«, sagte sie in einem gefährlichen Tonfall. »Das ist mein Ernst, Hadrian. Es ist eine Sache, die Sucher zu verlassen. Wenn Sie ein nettes ruhiges Leben als Buchhalter führen wollen, dann ist das schön und gut. Aber die Sucher zu verlassen und Ihre … Arbeit fortzusetzen, das ist etwas ganz anderes.«
Er setzte zum Sprechen an, aber sie hielt die Hand hoch.
»Nein – halten Sie einmal im Leben Ihren Mund und hören mir zu. Die Sucher haben ihre Augen überall; das wissen Sie besser als sonst jemand. Und Sie wissen auch, was die Philosophen von Abtrünnigen halten. Wenn sie sich Ihrer Treue nicht sicher sein können, sorgen sie dafür, dass es auch kein anderer sein kann.«
Sie fing seinen Blick ein und lauschte dem Pochen ihres Herzschlages. Einen Augenblick lang glaubte sie, ihn erreicht zu haben, dass er endlich Vernunft angenommen hatte. Dann umspielte ein Lächeln seine Lippen – ein liebevolles, trauriges Lächeln –, und er stand auf.
Also war es vorbei; die Worte entfuhren ihr trotzdem. »Bitte, Hadrian. Gehen Sie nicht so, nicht auf diese Weise.«
Er streckte die Hand aus, »Kommen Sie mit mir, Deirdre. Sie sind zu gut für sie.«
Sie presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
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