Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher
Metern beschrieb der Gang eine Biegung. In der Ecke waren eine Wachstation und eine Reihe von Monitoren. Es waren keine Wächter in Sicht.
Einer der Bildschirme zeigte das Publikum der Stahlkathedrale. Der Ton war abgestellt, aber selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, war Travis klar, dass kein Laut aus dem Gerät gekommen wäre. Das Publikum starrte mit offen stehenden Mündern; in den Gesichtern stand Entsetzen geschrieben. Der benachbarte Bildschirm zeigte ein Bild der Bühne. Sage Carson stand reglos da, die Arme weit zu einer flehentlichen Geste ausgebreitet, die Augen zum Himmel gerichtet. Auf dem riesigen Bildschirm hinter ihm wurde Anna Ferraros Interview mit Dr. Larsen gezeigt. Zwei Sicherheitsbeamte beugten sich über das Podium auf der linken Bühnenseite und schalteten wild an den Knöpfen herum, aber ohne Erfolg. Carson musste sie blockiert haben.
Travis grinste die Monitore an, dann lief er weiter.
Er hatte die Hälfte des Korridors durchquert, als blutrotes Licht aufblitzte und schrille Alarmsirenen die Luft zerrissen. Im ersten Moment glaubte er einen Sensor ausgelöst zu haben, dann drang eine elektronische Stimme aus den Lautsprechern in der Decke.
»Das ist ein Notfall. Bitte folgen Sie den beleuchteten Schildern zum nächsten Ausgang. Das ist ein Notfall …«
Die Sucher hatten es geschafft; sie hatten den Alarm ausgelöst. Travis rannte weiter. Der Korridor endete vor einer Flügeltür. Er nahm die Steine in die eine Hand und streckte die andere aus.
Urath!
Er sprach das Wort nicht einmal aus. Durch einen Gedanken wurden die Türen aus ihren Angeln gehoben und donnerten zu Boden. Er stieg über sie hinweg. Der Raum war groß und kuppelförmig, erinnerte an ein Observatorium. Die Wände wurden von Computern gesäumt. In der Mitte stand eine erhöhte Plattform, und auf der Plattform stand das Tor.
Es war schlicht und wunderschön – eine Parabel aus dunklem Metall, die sich aus der Plattform erhob, etwa dreieinhalb Meter hoch und ein Meter zwanzig breit. Plastikschläuche wanden sich um den Bogen; in ihnen sprudelte eine klare Flüssigkeit. Travis suchte ihren Ausgangspunkt. Sie kamen aus einem Tank am Rand der Plattform.
Er näherte sich dem Tor, ließ die Blicke schweifen, die Steine in seiner Hand fest umklammert. Er rechnete damit, dass die Dunkelheit jeden Augenblick explodierte und sich jemand auf ihn stürzte, aber der Raum war leer. Die Computer flackerten und führten unbekannte Berechnungen durch. Das rote Alarmlicht zuckte die Wände entlang, aber die Sirenen hörte er nur aus der Ferne, durch die zerstörten Türen.
Wo sind sie? Wo sind all die Wissenschaftler?
Weg. Sie hatten ihre Arbeit beendet; das Tor war bereit. Sie brauchten nur noch das Blut der Macht, um es in Betrieb zu nehmen, und sie versuchten hektisch selbst in diesem Augenblick, es zu synthetisieren.
Und was ist mit den Sicherheitsleuten?
Auch das verstand er. Sie waren absichtlich gegangen; sie wollten ihn das Tor erreichen lassen. Hier gab es keine Türen. Sie glaubten, ihn in der Falle zu haben. Doch es gab immer noch einen Weg nach draußen.
Travis hob die Hand. Der Kratzer war verschorft, aber er konnte ihn wieder öffnen. Duratek konnte unmöglich wissen, was in seinen Adern floss. Das Blut des Gottkönigs Orú. Blut voller Macht.
Travis betrat die Plattform und begab sich zu dem Tank. Er bestand aus Plexiglas. Oben war eine Plastikröhre mit einem Verschluss. Es sah so aus, als könnte man die Röhre füllen und dann in den Tank schieben. Er entfernte den Verschluss.
Er brauchte eine Minute, bis das Blut wieder aus der Wunde floss, und noch ein paar weitere Minuten, um die Röhre zu füllen. Er verschloss sie wieder.
Ein anderer Laut vermengte sich mit dem fernen Kreischen der Sirene – ein metallisches Summen. Travis schaute auf. In dem blutroten Licht, das durch die offene Tür drang, war ein silbriger Schimmer.
Er suchte in der Tasche nach dem Funkgerät und zog es hervor. »Deirdre, kannst du mich hören?«
Die einzige Antwort bestand aus statischem Rauschen. »Deirdre, bitte kommen.«
Das silberne Licht wurde heller. Das metallische Summen übertönte das Jaulen der Sirene. Die Phantomschatten kamen und mit ihnen ein Heer aus Eisenherzen. Vani und Beltan hatten das Tor-Artefakt benutzt. Entweder das, oder sie waren …
Ein neuer Schwall Statik verformte sich zu Worten. »Travis? Ich kann dich kaum hören, aber …«
Mehr Knirschen. Travis packte das Funkgerät fester.
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