Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher
Durges Stimme war ein Krächzen, aber sie war nicht ausdruckslos, nicht falsch. Er war es selbst. Er war es tatsächlich. »Erweckt die Verteidigung der Festung zum Leben. Tötet die Diener des Fahlen Königs.«
Tränen liefen ihr über die Wangen und schmeckten bitter, als sie ihre Lippen benetzten. »Sie wird auch Euch töten, Durge.«
»Ich bin bereits tot, Mylady. Ich bin vor über einem Jahr gestorben, bei der Wintersonnenwende. Dass man mir danach so viel Zeit gewährte, um Euch zu dienen, war eine Belohnung, die ich nicht verdient habe, aber ich habe sie über alle Maßen geschätzt. Aber jetzt verdiene ich nur noch den Tod. Ich habe Euch verraten. Und ich … ich habe Lady Aryn getötet.«
»Nein«, sagte da eine Stimme leise. »Das habt Ihr nicht.«
Aryn kniete neben Durge nieder. Ihr Gesicht war vor Schmerz bleich und angespannt, aber ihre blauen Augen waren so hell wie Saphire. Sie hob seinen Kopf und bettete ihn auf den Schoß.
Durge weinte, wenn auch nur aus einem Auge. »Nein, Mylady, ich bitte Euch, tut das nicht. Erweist mir nicht diese Zärtlichkeit, nicht nach dem, was ich getan habe.«
Sie strich ihm das Haar aus der Stirn. »Ihr hättet es mir sagen müssen, Durge. Ihr hättet mir sagen müssen, dass Ihr mich liebt.«
»Ich wollte Euch damit nicht behelligen, Mylady.«
Aryn lachte trotz ihrer Tränen. »Wie hätte das denn eine Belästigung sein können, von einem Mann geliebt zu werden, der so edel und gut wie Ihr ist, Durge von Embarr?«
»Ich bin gar nicht so edel, Mylady. Und Ihr hättet eine solche Liebe gar nicht erwidern können.«
Ihr Blick glitt in die Ferne. »Vielleicht hätte ich das doch«, sagte sie gedankenverloren. »Vielleicht hätte ich das doch.«
Er bäumte sich auf. »Ihr müsst gehen, Mylady. Ich kann es fühlen, wie es tiefer gräbt. In einem Moment werde ich mich wieder vergessen haben.«
»Nein, Durge«, sagte Aryn und schaute ihm in die Augen. »Du wirst niemals von uns vergessen werden. Niemals.« Sie zögerte, dann beugte sie sich herab und küsste ihn auf die Lippen.
Aryn hob den Kopf. Ein Seufzer entfuhr Durge, er wurde ganz ruhig. Die Furchen, die sein Gesicht immer so grimmig hatten erscheinen lassen, glätteten sich. Seine Augen starrten, ohne zu sehen.
»Ich bin ein glücklicher Mann«, sagte er mit vor Erstaunen leiser Stimme. »Ich bin solch ein … glücklicher Mann.«
Aryn weinte lautlos. Durge tastete blind nach Grace.
»Sagt mir, meine Elfenkönigin, wie lautet Euer Befehl?«
Grace küsste ihn auf die Stirn. »Schlaft, mein geliebter Ritter«, murmelte sie. »Schlaft.«
Dann drückte sie die blutige Hand auf den Boden.
22
Grace hockte in einer Lücke zwischen den spitzen Gipfeln. Ihre Arme stemmten sich gegen die schroffen Felsen zu beiden Seiten, so dass ihre breiten Schultern den Pass bewachten. Und ihr Kopf ragte in den Himmel, so dass sie meilenweit sehen konnte.
Sie konnte die winzigen Lebensfunken sehen, nein, spüren, die sich in ihr bewegten. Auf dem hohen Wall, der sie säumte, standen Hunderte von Männern, und tausend weitere versammelten sich dahinter, bereit, den Platz der Gefallenen einzunehmen. Auf dem Hof zwischen ihren schützenden Armen bewegten sich noch mehr Männer, stellten Pfeile her, schärften Schwerter. Sie war erfreut; seit siebenhundert Jahren hatte sie keine so stolze Streitmacht mehr beherbergt.
Donner erschütterte die Luft wie Trommelschlag. Dunkle Wolken wogten am Himmel. Grace lenkte den Blick in das Tal der Schattenkluft. Drei Meilen entfernt und von einem lodernden Glühen erhellt erhoben sich die scharfen Gipfel der Eisenzahnberge; die Mauern des Gefängnisses, in dem der Fahle König tausend Jahre lang eingesperrt gewesen war.
Aber das war vorbei. Da war ein schattenverhülltes Loch in den Fal Threndur. Das Runentor – das von denselben Magiern geschmiedet worden war, die Graces Steine mit Magie gebunden hatten – hatte sich geöffnet. Die Armee des Fahlen Königs strömte heraus. Feuersäulen schossen in den schwarzen Himmel. Die Armee marschierte auf die Festung zu.
Sollten sie kommen. Sie war bereit.
Aber was war das? Diener des Bösen schlichen bereits in ihr herum. Dutzende von ihnen hielten sich im Hauptsaal auf, in ihrem Herzen, auch wenn die meisten von ihnen bereits tot waren. Aber Hunderte weitere krochen durch den Gang, der von der Geheimtür ausging, der in die Schattenkluft führte. Der Weg war durch rohe Gewalt und die Macht von Runen erweitert worden. Der Feind wollte die
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