Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher

Titel: Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
Vom Netzwerk:
einen Blick zu. »Er wäre auf uns alle stolz gewesen. Und Durge auch.« Sie erschien älter, als Grace sie in Erinnerung hatte. Sämtliche Spuren des sanften, zögerlichen Mädchens, das sie gewesen war, waren verschwunden. Sie war jetzt eine Frau, eine Königin. Und doch war sie immer noch Aryn.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Teravian.
    Wäre Grace nicht so erschöpft gewesen, hätte sie womöglich gelacht. So lange Zeit war ihr ganzes Denken, ihr ganzes Wesen auf diese Schlacht ausgerichtet gewesen. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie nicht damit gerechnet hatte, sie zu überleben, denn sie hatte nicht die geringste Ahnung, was danach kommen sollte. Sie öffnete den Mund, unsicher, was sie sagen sollte.
    Es spielte keine Rolle. Ein ohrenbetäubender Laut wie der Ruf eines Horns ertönte, nur schriller und blecherner. Die Luft erbebte. Überall hielten sich die Männer die Ohren zu. Der Laut verblasste langsam zu einem leisen Grollen; der Boden vibrierte wie eine Trommel. Die Männer wandten sich der Schattenkluft zu, auf ihren Gesichtern zeichnete sich Verwirrung ab. Aber die Verwirrung wich einer neuen Empfindung: Furcht.
    Sir Tarus' Grinsen verschwand. Aryn und Teravian starrten mit weit aufgerissenen Augen. Eine unsichtbare Hand drückte Graces Herz zusammen.
    Sie war eine Närrin. Wie hatten sie nur glauben können, die Armee des Fahlen Königs vernichtet zu haben, wenn sie den Fahlen König selbst nicht zu Gesicht bekommen hatten? Ihre Hand schwitzte um Fellrings Griff.
    Er kommt, Grace. Er kommt, um dich zu holen.
    Das Heer, das ihnen entgegenmarschierte, ließ alle vorangegangenen nicht bedrohlicher als einen Fliegenschwarm erscheinen. Es durchquerte die Schattenkluft wie eine schwarze Woge und erstreckte sich von einer Talseite zur anderen. Das waren keine zehntausend Kreaturen, sondern zehn Mal so viel. Und es kamen immer mehr, sie strömten aus dem Runentor, als wäre es ein Rachen, der einen Nebel aus Finsternis ausspie.
    Hundert Belagerungstürme ragten aus dem wogenden Meer, Feuer schoss aus ihren Spitzen. Feydrim, Trolle und Menschen marschierten unter den schwarzen Bannern des Feindes. Trommelschlag zerschmetterte die Luft, und das Zwielicht wurde vom Schein von tausend Phantomschatten zerrissen.
    Die Krieger von Vathris sahen reglos zu. Aus Jubel war Schweigen geworden. Keine Befehle wurden gegeben, weder Schwerter noch Speere gehoben. Diesmal waren sie es, die in der Falle saßen zwischen Heer und Festung, zwischen Hammer und Amboss. Die Vorhut des schwarzen Heeres hatte bereits den Eingang zum Geheimgang erreicht. Es gab keine Möglichkeit zum Rückzug mehr, und gegen diese Streitmacht würden sie nicht siegen.
    Die Prophezeiungen stimmten. Die Krieger von Vathris würden glorreich in der Letzten Schlacht kämpfen. Und sie würden verlieren.
    »Was tun wir, Grace?«, fragte Aryn. In ihrer Stimme lag keine Panik. Sie war ganz ruhig.
    Grace schüttelte den Kopf. Es gab nichts, das sie tun konnten, außer zu sterben. Wir kommen, Durge!, rief sie in Gedanken.
    Dann durchzuckte sie eine Furcht, wie sie sie noch nie zuvor verspürt hatte. An der Spitze der Armee ritt eine schreckliche Gestalt auf einem schwarzen Reittier von der doppelten Größe eines Pferdes. Dornen ragten aus seiner Rüstung, und auf seiner schneeweißen Stirn saß eine Krone in Form eines Geweihs. Aus seiner Faust ragte ein Zepter aus Eisen.
    Das geschuppte Reittier warf den Kopf zurück und schnaubte Flammen. Es stampfte mit den Hufen auf und ließ Funken aufstieben, als es sich in Graces Richtung wandte. Also hatte es sie gesehen. Der Fahle König ritt auf Grace zu, die Augen in dem weißen Gesicht waren wie glühende Kohlen. Auf seiner Brust hing eine eiserne Halskette, und darin befand sich …
     … nichts.
    Ganz kurz verspürte Grace so etwas wie Verwirrung. Hätte die Kette nicht einen Stein enthalten müssen? Einen der Großen Steine?
    Angst lähmte ihren Verstand; sie konnte nicht denken. Fellring. Sie musste das Schwert ziehen, es war ihre einzige Hoffnung – aber sie konnte sich nicht bewegen. Die anderen neben ihr waren erstarrt. Selbst die Pferde standen reglos da. Die schreckliche Majestät des Fahlen Königs lähmte sie alle.
    Das schwarze Heer verhöhnte sie mit schrillen Rufen. Die Bestie, auf der der Fahle König ritt, kam näher. Berash hob das Eisenzepter. Der Blick aus seinen blutroten Augen brannte sich in Grace, und sie senkte den Kopf. Wer war sie, um sich einem so großen und mächtigen Wesen

Weitere Kostenlose Bücher