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Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher

Titel: Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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das euer Zuhause?«
    Der Schamane schüttelte den Kopf. Wir leben an solchen Orten, in den geschützten Nischen des Bodens. Aber nicht hier. Nicht unter den aufmerksamen Blicken von Ihm-der-über-das-Eis-herrscht.
    Die Hexenfrau gackerte. Sie zeigte auf Travis. Jetzt ist er es, Er-der-über-das-Eis-herrscht. Und Er-der-über-die-Flamme-und-das-Zwielicht-herrscht.
    Travis fasste die Steine fester. Ihre Berührung war beruhigend und flößte ihm etwas Kraft ein. Er ging tiefer in die Höhle hinein. Der graue Vorhang wogte. Weiche Tentakel lösten sich aus ihm und vergingen.
    Es war gar kein Vorhang; es war eine Nebelwand. Aber da war etwas Seltsames an ihr – trotz des Luftzugs, der durch den Tunnel strich, blieb sie bestehen. Er streckte eine Hand danach aus, dann zog er sie wieder zurück.
    »Was ist das?«, fragte er. »Ist das der Weg ins Zwielichtreich?«
    Den Weg kann man überall finden, sagte der Mann. Auf jedem einsam gelegenen Berg, unter jedem uralten Baum, im dunklen Herzen eines jeden hohlen Hügels. Du musst nur danach suchen.
    Ein kalter Nebelfaden strich über Travis' Wange. »Aber was für eine Art von Ort ist das Zwielichtreich? Falken hat mir erzählt, dass sich vor tausend Jahren die Alten Götter und das Kleine Volk dorthin zurückgezogen haben, aber ich weiß wirklich nicht, was es ist.«
    Die Alte schnalzte mit der Zunge. Das Zwielichtreich ist kein Ort. Es ist eine Zeit. Eine Zeit, in der die Welt noch nicht so müde war, wie sie es jetzt ist, als Bäume den Wald beherrschten und Wolken die Berggipfel. Eine Zeit, in der Stille die süßeste Musik von allen war, in der die Luft nie vom Klang eines Schmiedehammers auf einem Amboss zerrissen worden ist oder von den Todesschreien der Männer, die auf den Schwertern anderer Männer starben. Eine Zeit, in der die Götter überall waren – in jedem Hügel und Fluss und Stein. Eine Zeit der Wildnis, der Schönheit.
    Auf ihrem seltsamen und doch menschlichen Gesicht zeichnete sich Trauer ab. Und Freude. Sie hob die Hände an die Brust, und sie seufzte.
    Es war … es ist … unsere Zeit.
    Travis atmete tief ein. Er verstand es nicht, zumindest nicht durch die Worte. Trotzdem konnte er es im Herzen fühlen: ein Schmerz, eine Sehnsucht, die zu tief und alt war, um in einer so neuen und menschlichen Erfindung wie Sprache ausgedrückt werden zu können. Es war ein Frieden, eine Macht. Das Gefühl, an einen bestimmten Ort zu gehören. Einen Augenblick lang eröffnete es sich ihm beinahe; beinahe wusste er, wie es sein würde, wenn man nicht versuchte, sich die Welt Untertan zu machen, sondern einfach nur ein Teil von ihr war – ein einzelner Faden in dem leuchtenden Netz, das alle Dinge miteinander verband.
    Er konnte es genauso wenig fassen wie den Nebel. Der Augenblick verging. Die Steine lagen schwer in seiner Hand.
    »Wie finde ich den Dämmerungsstein?«, fragte er.
    Der Maugrim zeigte auf die Imsari. Sie werden den Weg kennen.
    Die Hexenfrau deutete mit dem Kopf auf die Nebelwand. Geh. Tränen liefen ihr über die faltigen Wangen. Sei das Ende aller Dinge.
    Travis wusste nicht, was er erwidern sollte. Er fasste die Steine fester und trat in den Nebel hinein.
    Einen Herzschlag später hatte er die Orientierung verloren. Der Nebel schlang sich um ihn, oben und unten, rechts und links. Etwas stimmte nicht; er hatte ihn nicht hinter sich gelassen. Er musste zurück.
    Travis stolperte in die Richtung, aus der er glaubte gekommen zu sein, aber seine Hände fanden nicht den rauen Felsen der Höhle, sondern nur noch weiteren kalten Nebel. Er rief nach den Maugrim, aber der Nebel drang in seinen Mund und dämpfte seine Stimme. Bis auf ihn selbst war dieser Nebel leer.
    Nein, da war noch etwas anderes hier. Ein Brüllen hallte durch den Nebel. Noch war es leise und in der Ferne, aber es kam näher. Der Nebel wirbelte umher. Es wurde dunkler, als sich ein Schatten näherte.
    Mohg. Er war im Zwielichtreich. Oder wo auch immer sich dieser Ort befand. Ein weiterer Schrei ertönte – voller Hass und Verlangen. Er suchte nach Travis.
    Er ging weiter, aber es war sinnlos; der Nebel und der Schatten waren in jeder Richtung zu finden. Der Nebel erzitterte, als ihn ein weiteres Stöhnen durchdrang. Der Herr des Sonnenuntergangs kam. Er würde Travis finden, er würde ihm die Steine abnehmen …
    Die Steine. Travis hatte die Großen Steine ganz vergessen. Er hielt die rechte Hand dicht vor sein Gesicht, bis er sie im Zwielicht glimmen sehen konnte. Der Maugrim

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