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Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher

Titel: Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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hatte sie Lirith falsch verstanden. »Wovon sprichst du?«
    Lirith drehte sich um. In ihrem Blick lag etwas Gehetztes. »Uns bleibt keine andere Wahl, Schwester. Er wird seine Jungfräulichkeit so oder so in dieser Nacht verlieren – dafür wird Liendra sorgen. Ich weiß, dass er für mich schwärmt. Es ist eine jungenhafte Schwärmerei, sicher, aber es ist besser, ich bin es, die das tut, als eine ihrer Handlangerinnen. Vielleicht können wir auf diese Weise verhindern, dass er sich in ihrem Netz verfängt.«
    Aryn hielt sich an der Stuhllehne fest. »Dann sollte ich es sein, die dies tut.«
    »Nein«, sagte Lirith mit harter Stimme. »Du bist rein, Schwester. Das darfst du nicht aufgeben, jedenfalls noch nicht. Und bei mir … nun, bei mir spielt das keine Rolle mehr.«
    Das war Wahnsinn. Aryn konnte den Gedanken nicht ertragen. »Das kannst du nicht machen, Lirith. Das kannst du nicht machen.«
    »Doch, das kann ich.« Ihre Miene war streng und kalt, dann wurde ihr Blick sanfter. »Vergib mir, Schwester. Ich hätte dir das schon vor langer Zeit erzählen sollen. Aber ich habe mich zu sehr geschämt.«
    »Was hättest du mir schon vor langer Zeit erzählen sollen?«
    »Die Jahre, die ich als Tänzerin im Haus von Gulthas verbracht habe, in der Freien Stadt Corantha.«
    Bevor Aryn fragen konnte, wovon sie da überhaupt sprach, kam Lirith heran und legte ihr die Hand auf die Schulter. Der schimmernde Lebensfaden der anderen Frau verband sich mit dem ihren. In einem einzigen, schrecklichen Blitz sah Aryn alles: wie Liriths Eltern von Dieben erschlagen wurden, wie die Waise in die Sklaverei verkauft wurde und wie sie, als sie erwachsen wurde, für die Männer tanzte und ihre Schleier durch die Luft wirbelten.
    Aryn wollte wegschauen, aber sie schaffte es nicht. Wie viele Männer hatten Gulthas ihr Gold bezahlt, um sich zu ihr zu legen? Wie viele helle Funken waren in Liriths Leib zum Leben erwacht, nur um ausgelöscht zu werden, bis dort niemals mehr Funken zum Leben erwachen würden? Es waren mehr als die flatternden Schleier, die sie trug; Aryn konnte sie nicht zählen.
    Die letzten Bilder flackerten durch Aryns Bewusstsein: Liriths Flucht auf nackten, blutigen Füßen nach Toloria, ihre ersten, zögerlichen Schritte auf Sias Pfad, ihre Ehe mit dem Herzog von Arafel und ihr Aufstieg in der Gunst Königin Ivalaines. Liriths Faden zog sich zurück, und Aryn sackte erschöpft und schwitzend auf einen Stuhl.
    »Ich hätte es dir erzählen sollen«, sagte Lirith erneut und voller Qual. »Kannst du mir jemals verzeihen?«
    Aryn schaute auf, die Augen voller Tränen. »Was soll ich dir verzeihen, Schwester? Dass du wunderschön und edel bist? Dass du stark genug bist, um in einer Hölle zu überleben, die sicherlich jede andere von uns vernichtet hätte? Warum sollte ich dir diese Dinge verzeihen?«
    Tränen strömten Liriths schwarze Wangen hinunter. Sie kniete nieder und legte den Kopf auf Aryns Schoß, und Aryn streichelte ihr glänzendes schwarzes Haar.
    »Ich liebe dich, Schwester«, murmelte Aryn. »Jetzt mehr als je zuvor.« Liriths einzige Antwort bestand aus einem Schluchzen.
    Sie verharrten eine Weile so, dann stand Lirith wieder auf, und ihre Augen waren jetzt trocken. »Erzähl Sareth nicht, was ich tue«, sagte sie.
    Bevor Aryn etwas sagen konnte, öffnete und schloss sich die Tür, und Lirith war gegangen.
    Eine Zeit lang saß Aryn bloß auf ihrem Stuhl und starrte ins Leere. Dann überkam sie ein seltsamer, unwiderstehlicher Drang, und sie stand auf. Sie durchsuchte Liriths Gemach und fand bald, was sie brauchte: Auf der Ankleidekommode lag ein Elfenbeinkamm. Aryn hob ihn auf und zupfte sieben schwarze Haare aus ihm. Schnell webte sie die Haare zusammen, dann verknotete sie den Strang zu einem kleinen Ring.
    »Was tust du da nur, Aryn?«, murmelte sie leise, als sie sich wieder auf den Stuhl setzte. »Was tust du da bloß?«
    Bevor sie sich selbst antworten konnte, streifte sie sich den Ring aus Liriths Haar über den rechten Ringfinger und schloss die Augen.
    Der Zauber klappte auf Anhieb. Er hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der anderen Magie, wo sie durch die Nacht geflogen war, in den Garten, und Teravian und Königin Ivalaine ausspioniert hatte. Diese Magie war subtiler. Es war mehr, als würde sie durch ein Fenster schauen – das mit Reif bedeckt war, so dass die dahinter liegenden Bilder zugleich kristallklar und leicht verschwommen waren.
    Sie sah zu, wie Lirith in einem dunklen Korridor stand, im

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