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Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher

Titel: Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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und belebte sie. Nach der Qual war dieses Gefühl von Unversehrtheit beinahe unerträglich.
    Tu es jetzt, Schwester!
    Etwas stimmte nicht. Liriths Stimme klang seltsam angespannt; ihr Faden bebte.
    Bitte, Aryn, bevor es zu spät ist. Du musst gegen die Nekromantin kämpfen.
    Aber wie? Shemal war uralt, einst war sie eine Göttin gewesen. Und im eigentlichen Sinn war sie nicht lebendig. Welche Macht konnte schon einem solchen Wesen etwas antun?
    Es war wie ein Flüstern in ihrem Ohr; plötzlich kannte Aryn die Antwort – sie war überall um sie herum. Frei vom Schmerz, griff sie mit der Gabe zu. Sie sammelte die funkelnden Stränge der Weltenkraft und fing an, sie zusammenzuweben.
    Nein – das war zu langsam. Für dieses Muster brauchte sie viel zu viele Fäden; sie konnte sie unmöglich schnell genug verweben.
    Weißt du noch, was Grace damals auf der Brücke über den Dunkelwein getan hat, als die Krondrim näher kamen? Sie hat den Fluss nicht mit der Gabe geformt; stattdessen hat sie sich zu einem Gefäß gemacht und den Fluss durch sich hindurchströmen lassen.
    Aryn ließ die Fäden los und sah sich als leere Hülle – ein Kelch, der darauf wartete, gefüllt zu werden. Die Macht der Weltenkraft ergoss sich wie eine smaragdgrüne Flut in sie. Als sie das Gefühl hatte, gleich platzen zu müssen, stellte sie sich nicht länger als Kelch vor, sondern als Rohr, als Leitung, durch die die Macht der Weltenkraft strömte. Mit einem Gedanken richtete Aryn diese ganze Magie – die Macht des Lebens – auf die Nekromantin.
    Dieses Mal war es Shemal, die aufschrie. Aryn zwang sich, durch den grünen Schleier der Magie hindurchzusehen. Shemal stolperte zurück, ihre Hände hoben sich zu einer abwehrenden Geste. Der glatte Marmor ihres Gesichts war jetzt schmerzverzerrt; ihr Mund stand voller Erstaunen weit geöffnet.
    Eine Stärke belebte Aryn, die sie nie gekannt, geschweige denn vermutet hätte. Sie erhob sich und streckte die Arme aus, zog die Macht der Weltenkraft an sich. Sie kam von allen Männern in der Nähe und den Hexen, die noch immer zitternd zusahen, selbst von den vorbeigaloppierenden Pferden. Sie kam aus dem Gras zu ihren Füßen und aus dem Boden unter dem Gras, wo selbst in den gefrorenen Tiefen des Winters das Leben überdauerte und auf den kommenden Frühling wartete. Sie kam aus dem Himmel, an dem Vögel flogen, und aus dem Wasser des eine Meile weit entfernt liegenden Flusses, unter dessen vereister Oberfläche silbrige Fische schwammen. Sie kam von den Bäumen des Dämmerwaldes, die am Horizont zu sehen waren, und von dem Land, das weiter entfernt lag, als ein Auge zu sehen vermochte. Für Aryn fühlte es sich an, als wäre die ganze Welt ein schimmerndes Netz, und sie stand in seinem Mittelpunkt.
    Sie wies mit dem Finger auf Shemal. Die Nekromantin bleckte die Zähne, die spitz und weiß aus schwarzem Zahnfleisch ragten. Sie stieß ein Zischen aus. Sie strengte sich an, versuchte nach Aryn zu greifen, aber das uralte Wesen konnte sich nicht bewegen – eine Spinne, die im Netz des Lebens gefangen war.
    Ich schaffe es, Lirith!, dachte Aryn triumphierend durch die Weltenkraft. Ich halte sie zurück!
    Nach einem Augenblick kam Liriths Erwiderung, doch sie war schwach und zitternd. Ich wusste, dass du es schaffst, Schwester.
    Furcht durchschnitt Aryns Hochgefühl. Mit Lirith stimmte etwas nicht. Aryn schickte ihr Bewusstsein durch die Weltenkraft. Zuerst ging sie zu weit, mitgerissen von der Macht der Magie, und sie war wie ein Vogel, der über das Schlachtfeld flog. Sie konnte das Chaos sehen, als Krieger von Teravians Banner fortliefen. Da war Boreas, der mit Männern kämpfte und versuchte, zu dem Prinzen zu kommen. In der Nähe sah sie sich selbst und die Nekromantin, beide wie erstarrt, und Liendras Leiche am Boden, und die Hexen in ihren grünen Gewändern, die sich voller Angst aneinander klammerten. Direkt hinter Aryn waren zwei Gestalten. Sareth schwang ein Schwert und hielt Sai'el Ajhir in Schach. Lirith kniete neben ihm am Boden, schwankte hin und her, die Augen fest geschlossen, das schwarze, wunderschöne Gesicht zu einer Maske der Qual verzerrt.
    Das Gefühl der Ekstase verschwand. Lirith hatte gelogen, sie hatte die Schmerzen der Nekromantin nicht weggenommen. Sie hatte sie übernommen.
    O Lirith …
    Du darfst nicht an mich denken, kam die schwache Erwiderung der Hexe. Jeder von uns muss das tun, zu dem Sia uns die Macht verliehen hat. Ich habe meine Aufgabe, so wie du deine

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