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Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher

Titel: Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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vorstellen. Und das hielt ihn davon ab, sich von der Mauer zu stürzen.
    Nicht, dass er Lady Graces Worte bezweifelte; in der Zeit, in der er ihr gedient hatte, hatte sie sich nie geirrt. Trotzdem zweifelte er daran. Denn selbst wenn der Schmerz wie mit einem rot glühenden Messer zustach, fühlte sich sein Herz nicht so an, als hätte es sich verändert.
    Durge liebte Lady Grace als seine edle Herrin; er konnte sich genauso wenig vorstellen, sie zu verraten, wie er sich hätte vorstellen können, sich mit seinem Schwert selbst den Kopf abzuschlagen. Und da gab es noch jemanden, den er liebte. Nicht, wie er Grace liebte, die seine Königin war. Diese andere liebte er mit einer Zärtlichkeit, für die er sich nicht fähig gehalten hatte, nicht, seit er ein junger Mann gewesen war. Nicht seit er seine Frau und seinen Sohn in der kalten Erde begraben hatte. Aber er hatte sich geirrt; er war noch immer zu solchen Gefühlen fähig, wie er in dem Augenblick entdeckt hatte, in dem er ihr tapferes, wunderschönes Gesicht zum ersten Mal gesehen hatte.
    Aber du wirst Lady Aryn nie wieder sehen, und das ist auch gut so. Sie mag dich, ja, aber nur wie einen Lieblingsonkel und nicht mehr. Und selbst wenn du dich irrst, selbst wenn sie jemand so Alten und Verbrauchten wie dich hätte lieben können, was würde sie tun, wenn sie wüsste, was in deiner Brust liegt?
    Nein, es war besser, wenn er niemals das Entsetzen in ihren Augen sehen musste. Denn das würde ihm mit größerer Sicherheit das Herz brechen als jeder Splitter aus verzaubertem Eisen.
    Die Schatten über ihm waren noch immer in Bewegung. Ein fahles Gesicht grinste ihn höhnisch aus der Dunkelheit an. Er konnte beinahe eine Stimme hören, die in sein Ohr flüsterte …
    Durge warf die Decke zur Seite und stand auf. Das hier war sinnlos. Er konnte nicht schlafen, für ihn gab es nur noch eine Möglichkeit, um zur Ruhe zu kommen, und dafür war er noch nicht bereit. Bei allen Göttern, er war noch nicht bereit. Es gab zu viel zu tun.
    Von dem Tisch neben dem Bett nahm er einen Gegenstand. Es war ein silberner Stern mit sechs Zacken. Es war das Deputy-Abzeichen, das er in Castle City getragen hatte – ein Symbol, das seinen Schwur repräsentiert hatte, andere zu beschützen. Er schob den Stern in sein Gewand, dann schnallte er sich das Breitschwert auf den Rücken und ging hinaus.
    Als ihn der Wind traf, fiel ihm ein, dass er seinen Umhang in seinem Quartier vergessen hatte, aber er ging nicht zurück. Seit er seinen vierzigsten Winter überstanden hatte, hatte ihm die Kälte immer mehr zugesetzt und war in seine Gelenke und Knochen gekrochen. Jetzt störte ihn die Kälte überhaupt nicht. Eiskristalle tanzten in der Luft und landeten auf seinen Wangen, aber er fühlte sie nicht.
    Eine Abteilung Fußsoldaten kam vorbei und marschierte zur Mauer. Sie drückten die Fäuste an die Brust zum Salut.
    »Habt Ihr Königin Grace gesehen?«, fragte er.
    »Sie hat die Unterkünfte vor einer Stunde verlassen, Mylord«, sagte einer der Männer. »Vielleicht ist sie in den Turm zurückgekehrt.«
    Durge schlug den Weg dorthin ein. Der Wind heulte in seinen Ohren. Fast hatte es den Anschein, als könnte er darin eine Stimme vernehmen.
    Die Wächter am Eingang zum Festungsturm nickten ihm zu, und er ging einen Korridor entlang in den Hauptsaal. Dort fand er nicht Grace, sondern Meister Graedin.
    »Hallo, Sir Durge«, sagte der junge Runensprecher fröhlich, obwohl sich in sein verschmutztes Gesicht tiefe Linien der Müdigkeit eingegraben hatten.
    Durge blieb in der Saalmitte stehen. Die auf dem Boden verteilten Binsen knirschten unter seinen Stiefeln. Sie waren trocken und brüchig geworden. Die Fackeln schienen zu pulsieren. Durge hielt sich den Kopf.
    Graedin runzelte die Stirn. »Etwas nicht in Ordnung, Sir Durge? Seid Ihr beim letzten Angriff verwundet worden?«
    Durge schüttelte den Kopf. »Wo ist die Königin?«
    »Ich glaube, sie hat sich kurz in ihr Gemach zurückgezogen. Die Wachen sagten, sie wäre bald wieder da. Ich hoffe es jedenfalls – ich muss ihr etwas Wichtiges zeigen.«
    Trotz seiner Aufregung klang Graedins Stimme dumpf und gedankenverloren. Durge fuhr sich über die Lippen; sein Mund war plötzlich ganz trocken. »Was wollt Ihr der Königin denn zeigen?«
    »Es ist ziemlich viel versprechend.« Ein Funkeln trat in Graedins Augen. »Ich habe die Feuerkugeln untersucht, die der Feind über die Mauer geschickt hat; ich wollte wissen, wie man sie erschafft. Ich

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