Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
je erfahren, was in den Schriftrollen stand?«, sagte Grace nach einer längeren Pause.
Farr schüttelte den Kopf. »Ich habe einiges von der alten Sprache Amúns gelernt, aber es reichte nie aus, um die Rollen ganz zu übersetzen. Sie sind in einer besonderen Schrift geschrieben – ich glaube, sie wurde nur von einer geheimen Zaubererloge benutzt. Es ist möglich, dass Mournisch etwas mehr davon verstehen könnten als ich, aber ich würde nicht mit einem freundlichen Empfang rechnen, falls ich zu ihnen gehen würde.«
Er warf Vani einen Blick zu. Die T'gol schwieg.
»Was ich entziffern konnte, ist faszinierend«, fuhr Farr fort, und er erschien jetzt viel eher wie ein Gelehrter oder Forscher, sprach mit wachsender Aufregung. »Natürlich ist alles in Metaphern gekleidet – aber wie bei allen Mythen glaube ich, dass der Kern wahr ist. Die Rollen beschreiben, wie am Anfang das Nichts ist. Dann gebiert das Nichts ganz plötzlich Zwillinge. Die Zwillinge sind in jeder Hinsicht gegensätzlich: Der eine ist hell und gebend, der andere dunkel und verschlingend. Vom Augenblick ihrer Geburt wurden die Zwillinge voneinander getrennt und voneinander fern gehalten, und jeder baute viele Städte, die ihm ergeben waren. Aber die Rollen sprechen von einer Zeit, in der die Zwillinge wieder zusammenkommen. Wenn das geschieht, werden sie miteinander Krieg führen, und alles, was sie geschaffen haben, wird zerstört werden. Sogar das Nichts, das sie hervorgebracht hat, wird vernichtet werden. Die ganze Existenz wird wie ein leerer Becher sein, nur dass keine Chance mehr besteht, ihn je wieder zu füllen.«
Die Geschichte bereitete Travis Übelkeit. »Es ist genau wie das, was du über den Riss gesagt hast. Es ist das Ende von allem.«
Larad stützte sich auf die Ellbogen und legte die Fingerspitzen aneinander. »Sagen die Rollen, wie man die Zwillinge davon abhalten kann, sich zu bekriegen?«
»Nicht in den Passagen, die ich übersetzen konnte.«
Travis stand auf. Er hatte genug gehört. »Wir können uns später über das Sorgen machen, was in den Schriftrollen steht. Jetzt müssen wir erst Nim finden. Die Zauberer werden sie nach Morindu bringen, oder?«
Vani nickte.
»Und Ihr kennt den Weg?«, wandte er sich an Farr.
Farr zögerte. »Ich glaube, schon. In den vergangenen Monaten hat es eine stetig wachsende Zahl von Erdbeben gegeben. Viele verschüttete und verloren gegangene Ruinen sind freigelegt worden. Es ist nicht lange her, da ging ich den Gerüchten über eine freigelegte Ruine nach und stieß auf einen Scirathi. Er kam aus der tiefen Wüste gekrochen und war fast tot. Ich glaube, er halluzinierte und hielt mich für einen von seiner Art, denn er packte mein Gewand und plapperte, er hätte einen Turm aus schwarzem Stein aus dem Sand ragen gesehen. Er sagte mir, wo das gewesen war, aber bevor er mir mehr erzählen konnte, griff eine Bande von seiner Sorte an, und ich musste die Flucht ergreifen.«
»Ein schwarzer Turm«, hauchte Vani mit einem Glänzen in den Augen. »Von allen Städten des alten Amún war nur Morindu aus schwarzem Stein erbaut.«
»Darum glaube ich auch, dass der Zauberer die Wahrheit gesagt hat, dass man Morindu nach der ganzen Zeit gefunden hat.«
»Was ist mit dem Zauberer passiert?«, fragte Larad.
»Ich gehe davon aus, dass die Scirathi ihn gesund gepflegt und all das erfahren haben, was ich auch erfahren habe, vielleicht sogar mehr.«
Vani ballte die Faust. »Ihr hättet ihn töten sollen.«
Farr warf ihr einen finsteren Blick zu, und Travis trat zwischen sie. Sie hatten keine Zeit für Streit. »Das könnt ihr später austragen. Die Scirathi wissen, wo Morindu ist, und das bedeutet, dass sie in diesem Augenblick Nim dorthin bringen. Der Sturm ist vorbei – es gibt keinen Grund, noch länger zu warten. Wir müssen gehen.«
Grace erhob sich. »Ich begleite dich.«
Er sah sie dankbar an. Sie nahm seine Hand und hielt sie fest.
Vani wandte sich mit einem beschämten Gesichtsausdruck von Farr ab. »Travis hat Recht. Jetzt geht es nur darum, meine Tochter zu finden.«
»Was ist mit dem Riss?«, sagte Meister Larad und erhob sich von seinem Stuhl. »Ich habe Königin Grace begleitet, weil ich mit Euch über die Schwächung der Runenmagie sprechen wollte, Meister Wilder. Ich glaube, es könnte mit dem Riss zu tun haben, und mit der Letzten Rune. Wenn wir das eine Geheimnis ergründen, könnten wir vielleicht auch das andere lösen.«
Travis hatte nur selten in seinem Leben gewusst,
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