Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
gerechnet hatte; es war schließlich nicht so, dass die Zauberer in einem Café herum hingen. Obwohl eine Blutbank vielleicht ein besserer Ort für die Suche gewesen wäre.
Trotz ihres Scheiterns war Beltans Entschlossenheit, einen Scirathi zu finden, nicht kleiner geworden, und Anders wollte in unmittelbarer Nähe des Ritters bleiben, für den Fall, dass er sich entschied, die Suche auf eigene Faust fortzusetzen. Deirdre hatte dem zugestimmt; in seiner derzeitigen Stimmung war es besser, wenn man Beltan nicht allein ließ.
Und was ist mit dir, Deirdre? Bist du jetzt nicht allein?
Sie wusste nicht, was sie im Fenster gesehen hatte, aber von einem war sie überzeugt: Was auch immer es gewesen war, es hatte sich nicht außerhalb ihrer Wohnung befunden.
Es war eine Spiegelung im Glas. Eine Spiegelung hinter dir. Jemand war da.
Wer auch immer es gewesen war, er war weg. Eine gründliche Durchsuchung aller Zimmer – und Schränke – bestätigte ihren Instinkt. Der Eindringling war geflohen. Sie ging zurück in die Küche, vielleicht sollte sie einem weiteren Glas Scotch eine Chance geben. Mit zitternden Händen kippte sie die Flasche und vergoss die Hälfte auf der Arbeitsfläche. Sie griff nach der Rolle Papierküchentuch.
Auf der Arbeitsfläche lag ein Umschlag. Sie hatte ihn nicht dort hingelegt.
Deirdre schluckte den wenigen Scotch, der seinen Weg ins Glas gefunden hatte, dann nahm sie den Umschlag. Darin zeichnete sich eine Erhebung ab. Sie wickelte den Faden ab, öffnete die Lasche und kippte den Umschlag. Ein kleines schwarzes Handy rutschte heraus. Sie holte tief Luft, dann ergriff sie das Telefon und schaltete es ein.
Es klingelte.
Sie war so überrascht, dass sie es beinahe hätte fallen lassen. Sie fummelte an den Tasten hemm, dann hielt sie es ans Ohr.
»Hallo?«
»Guten Abend, Deirdre.«
Sie hatte gewusst, dass er es sein würde. Schon einmal hatte er auf diese Weise Kontakt aufgenommen. Trotzdem verursachte der Klang seiner tiefen, akzentfreien Stimme in ihr einen Schauder.
»Wer war gerade in meiner Wohnung?«, sagte sie. »Sie oder einer ihrer Handlanger?«
Aus dem Telefon drang Gelächter. »Handlanger? Was für ein großartiges Wort, ich fühle mich schon wie ein Schurke, wenn ich es nur ausspreche. Ich muss wirklich versuchen, mir mehr Handlanger zu besorgen.«
»Also waren Sie das selbst.« Sie verspürte Furcht und Aufregung. Er war hier gewesen, in ihrer Wohnung – ihr Philosoph. Sie begab sich ans Fenster und schaute in die Dunkelheit und den Regen hinaus. »Wo sind Sie?«
»In der Nähe, Deirdre.« Seine Worte waren ein Murmeln in ihrem Ohr. »Ich bin jetzt immer in Ihrer Nähe. Die Welten nähern sich einander. Genau wie das Ende.«
»Das Ende wovon?«
»Nun, von allem.«
Deirdre ließ sich auf den Stuhl sinken. Sie musste jetzt schlau sein, sie musste jetzt an die wichtigsten Fragen denken und sie zuerst stellen. Er würde nicht lange am Telefon bleiben; das tat er nie.
»Wo ist der Torbogen?«
Wieder lachte er. »Darum mag ich Sie, Deirdre. Sie kommen immer sofort auf den Punkt.«
Sie biss sich auf die Zunge. Wenn sie schwieg, würde er weitersprechen müssen. Eine unerfreuliche Pause trat ein, in der sie befürchtete, dass er aufgelegt hatte. Dann drang wieder seine volltönende Stimme aus dem Telefon.
»Er ist näher, als Sie vielleicht denken. Aber ich werde ihnen nicht sagen, wo er ist. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, danach zu suchen.«
»Warum?« Sie konnte einfach nicht anders.
»Weil Sie sterben werden, wenn Sie es tun. Genau wie der Mann aus der anderen Welt, der Ritter Beltan. Ich kann das nicht zulassen.«
Jetzt schwieg er. Deirdre hatte keine andere Wahl, als etwas zu sagen oder zu riskieren, dass die Unterhaltung endete. »Beltan ist entschlossen, das Tor zu finden, und ich kann ihn nicht kontrollieren. Heute haben er und Anders nach einem Zauberer gesucht, den sie verhören wollen.«
»Das ist eine ausgezeichnete Idee. Reden Sie mal mit einem Zauberer. Das wird Ihnen zu der Einsicht verhelfen, dass Ihr nächster Schritt nicht darin besteht, das Tor zu suchen. Es gibt noch andere Geheimnisse, um die Sie sich vorher kümmern müssen.«
Deirdre umklammerte das Handy, als könnte ihn das davon abhalten, die Verbindung zu unterbrechen. »Aber wie sollen wir einen Zauberer finden? Wir wissen doch nicht einmal, ob in London überhaupt noch welche sind.«
»Doch. Ihre Arbeit hier ist noch nicht vollendet. Das Mädchen Nim zu finden war bloß ein
Weitere Kostenlose Bücher