Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
ihre Lungen strömen.
»Alles in Ordnung?«, fragte er heiser.
Sie nickte. Ihr Herzschlag hatte fast wieder den normalen Rhythmus gefunden. Der Zauber hatte nicht so viel Schaden angerichtet, wie sie gedacht hätte. »Was macht er?«
Beltan ging zu der dunklen Gestalt, die verkrümmt am Boden lag. »Er bewegt sich nicht, aber ich glaube, er ist noch immer bei Bewusstsein.«
Gut. Die Droge funktionierte genau wie geplant. Sie hatte befürchtet, dass die Physiologie der Scirathi möglicherweise anders war, aber das war nicht der Fall. Trotz ihrer Macht waren sie noch immer Menschen.
Deirdre tastete nach der Taschenlampe, dann kroch sie auf Händen und Knien zu Beltan herüber. Sie richtete den Lichtstrahl nach unten, auf den Zauberer. Sein Körper zuckte, hinter der Maske drangen gurgelnde Laute hervor. Aus der Mitte seiner Brust ragte ein silberner Pfeil.
»Die Maske«, sagte Beltan. »Nimm sie ab. Ohne sie ist er machtlos.«
Deirdre zögerte, dann griff sie mit zitternden Fingern nach dem Rand der goldenen Maske, zog sie herunter und gab sie Beltan.
Der Zauberer war gar kein Mann. Das Gesicht war eine zerstörte Landschaft aus Narben, unbeholfen genähten Wunden und eiternder Krusten. Die Ohren fehlten, die Nase war auf zwei Löcher über dem lippenlosen Schlitz des Mundes reduziert. Aber die Knochenstruktur war – wie deutlich zu sehen war – ebenmäßig, beinahe zierlich. Dieser Zauberer war eine Frau.
Oder war es zumindest einst gewesen. Jetzt war ihr Gesicht eine Ruine, aus der eine Messerklinge sämtliche Spuren von Menschlichkeit getilgt hatte. Nur die Augen erinnerten an etwas Menschliches. Sie bückten Deirdre mit Hass an. Und Furcht.
»Sieht so aus, als wäre alles glatt über die Bühne gegangen«, sagte da eine fröhliche, wenn auch atemlose Stimme hinter ihnen.
Sowohl Deirdre wie auch Beltan sahen Anders an, der die Wohnung betrat.
»Oder auch nicht.« Sein Grinsen verblich, während er die Tür schloss.
Er hatte nicht lange gebraucht, um von seiner Position in dem Hotel auf der gegenüberliegenden Straßenseite herzukommen. Er war im dritten Stock mit einem Betäubungsgewehr stationiert gewesen und hatte darauf gewartet, dass Deirdre den Lichtstrahl auf ihr Ziel richtete. Nach dem Schuss musste er sofort losgestürmt sein. Gut. Das bedeutete, er hatte keine Zeit gehabt, mit jemandem zu kommunizieren.
Anders kniete sich neben sie. »Pfui, das ist ein hässlicher Anblick.« Er sah von der Zauberin hoch. »Ihr beiden seid in Ordnung?«
»Wir leben, wenn es das ist, was Sie meinen«, erwiderte Beltan, dessen Stimme noch immer krächzend klang.
»Reden wir mit ihr«, meinte Deirdre.
Anders griff in die Brusttasche und zog eine Spritze hervor. Er gab sie Deirdre. Sie nahm die Schutzkappe ab, schnippte gegen die Spritze und drückte den Kolben etwas herunter, um die Luftblasen zu entfernen, dann stach sie die Nadel in den Hals der Zauberin.
»Das wird die Muskeln in deinem Hals entspannen. Du wirst sprechen können, aber das ist auch schon alles.«
Anders griff nach dem Pfeil, der in der Brust der Scirathi steckte, aber Beltan packte seine Hand.
»Nein, lassen Sie den Pfeil, wo er ist. Wir wollen nicht, dass sie blutet.«
Anders schluckte. »Gutes Argument, Kumpel.«
»Blut«, zischte eine Stimme wie eine Schlange. Es war die Zauberin. Der Mundschlitz zuckte. »Gebt mir Blut …«
»Niemals«, knurrte Beltan. Er vergewisserte sich, dass die Glasphiole fest verschlossen war, dann schob er sie in die Tasche.
Der geheimnisvolle Philosoph hatte Recht gehabt; Beltan hatte tatsächlich etwas besessen, das einen Zauberer anlocken würde. Am Morgen hatten sie mit Alkohol das Blut aus dem Verband gewaschen, den Beltan von Travis' Arm behalten hatte. Der größte Teil des Alkohols war verflogen und hatte nur die restliche Flüssigkeit in der Phiole hinterlassen, insgesamt befanden sich nur wenige Tropfen Blut darin, nicht mehr, aber es reichte. In dem Augenblick, in dem Beltan die Phiole in der Wohnung geöffnet hatte, war der Zauberer erschienen, von dem Duft solcher Macht aus dem Versteck gelockt.
»Ich glaube, es ist Zeit, dass du ein paar Fragen beantwortest, Mädchen«, sagte Anders.
Deirdre warf ihm einen scharfen Blick zu. Wollte er das Verhör übernehmen, sie davon abhalten, etwas zu erfahren?
»Ich mache das«, sagte sie. Anders sah sie überrascht an, aber bevor er protestieren konnte, beugte sie sich über die Zauberin.
»Wo ist der Torbogen, den ihr auf Kreta gestohlen
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