Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
in der Nähe ihres Randes, schätze ich, also sind sie auch nicht gut.«
Die Morgolthi. Travis hatte die Geschichten gehört, die die Mournisch darüber erzählten. Sie nannten es das Dürstende Land. Vor Äonen war es das Land blühender Stadtstaaten gewesen, die sich funkelnden Perlen gleich am Fluss Emyr aufreihten. Der Fluss war das Lebensblut des alten Amún, beförderte Händler zwischen den Städten und brachte Wasser zu den fruchtbaren Äckern an seinen Ufern.
Dann kam der Krieg der Zauberer, die Beherrscher der Magie erhoben sich gegen die Gottkönige, die die Stadtstaaten regierten, um ihren Platz einzunehmen. Der Krieg verschlang eine Stadt nach der anderen, und der Fluss rötete sich von dem Blut Zehntausender Zauberer.
Die letzte Feuersbrunst zerstörte das Land, und der Lauf des Flusses Emyr wurde verändert, so dass sein lebensspendendes Wasser nach Westen zum Meer floss und nicht länger nach Osten durch Amún, und das einstmals so fruchtbare Land der Stadtstaaten wurde eine von der Sonne verbrannte Wüste, ein Ort von Durst und Tod.
So tot die Morgolthi war, hatte sie doch auf unerwartete Weise etwas Neues hervorgebracht. Im Laufe der Zeit war das Blut der Zauberer, das den Sand getränkt hatte, getrocknet und zu Staub geworden, den der Wind mit sich trug zu den Ländern von Al-Amún, wo die Zivilisation erneut entstanden war, und weiter übers Meer nach Tarras und den anderen Städten des südlichen Falengarth.
Der Staub wurde von Tausenden und Abertausenden Menschen eingeatmet, genau wie die Macht, die er noch immer enthielt, und als genug Menschen den Staub in sich aufgenommen hatten, manifestierten sich ihre kollektiven Hoffnungen und Sehnsüchte. So wurden die Götter der Mysterienkulte geboren …
In der Ferne ertönte ein scharfer Laut, wie ein Schuss.
»Travis!«
Erst als sein Kiefer schmerzte, erkannte er, dass Vani ihn geschlagen hatte.
Er stolperte zurück. »Wofür war das denn?«
»Du hast nicht auf meine Worte reagiert. Du musst an diesem Ort aufpassen. Es heißt, die Luft der Morgolthi ist für einen Zauberer so seltsam süß, dass sie ihn wie Wein berauschen kann.«
»Aber ich bin kein …«
Travis biss die Zähne zusammen, als sie ihn durchdringend ansah. Er versuchte flacher zu atmen und nicht an die Partikel pulverisierten Blutes zu denken, die an diesem Ort noch immer in der Luft schwebten. »Der Zauberer muss Nim hergebracht haben. Sobald das Tor geöffnet ist, hat es nur einen Ausgang. Das bedeutet, wir können nur wenige Minuten hinter ihnen sein. Hast du dort oben Fußspuren erkennen können?«
»Der Wind braucht nicht mehr als ein paar Minuten, um den Sand glatt zu streichen. Auf diese Weise werden wir sie nicht verfolgen können.«
»Also, was tun wir dann?«
»Der Zauberer wird nach Norden gehen, auf Siedlungen und Wasser zu. Es ist seine einzige Überlebenschance, und unsere auch. Wir müssen das Gleiche tun.«
»Toll«, sagte Travis. »Und wo genau ist Norden?« Er drehte sich um. In jeder Richtung erhoben sich Sanddünen.
Vani sah zum Himmel hoch. Ihre kupferfarbene Haut war schweißnass, sie hatte das Oberteil ihres Lederwamses geöffnet. »Seit wir durch das Tor gekommen sind, ist die Sonne gestiegen. Osten liegt in der Richtung, also geht es hier nach Norden. Wir müssen hoffen, dass wir uns nicht weit von einer Siedlung befinden. Komm.«
Sie ging los durch die Senke zwischen zwei Dünen, hielt sich dabei nahe an die windabgewandte Seite der Düne zu ihrer Linken, geschützt vor dem Schlimmsten des Windes. Aber sie waren schon bald gezwungen, den Pfad zu verlassen, da er nach Osten abbog, und mussten sich die dem Wind zugewandte Seite einer Düne hochkämpfen. Sand zischte durch die Luft; er ließ Travis an die körperlosen Geister der Morndari denken. Sie konnten feste Materie durchdringen, und der Sand schien das ebenfalls zu können. Er grub sich in jedes Stück entblößte Haut, brannte in ihren Augen, durchdrang die Kleidung und arbeitete sich tief in ihre Ohren und Nasen.
Die Sonne stieg in den Zenit, Hitze waberte wellenförmig aus dem Sand empor. Travis schwitzte in seinen Jeans und dem Pullover – beide waren für einen nebligen Londoner Abend gedacht, nicht für einen glühenden Wüstentag –, aber er dachte nicht einmal daran, sie auszuziehen, denn sie stellten seinen einzigen Schutz vor dem Wind und der Sonne dar.
Er und Vani sprachen nicht. Sie hielten den Mund fest geschlossen, atmeten durch die Nase, versuchten den Sand
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