Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
in London ein Paar geworden. Es war keine ernsthafte Affäre. Wir beide waren viel zu sehr an unserer Arbeit interessiert, um einander unsere Herzen zu schenken. Trotzdem war es eine gute Verbindung. Ich war groß und sah gut aus, und sie hatte während der langen Reise nach London deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich ihr gefiel. Ich hingegen fand ihre reife Schönheit bezaubernd.
Trotz meiner Beschäftigung als Jugendlicher in Edinburgh hatte ich nie mit einer Frau geschlafen, aber das gefiel Rebecca. Wir verbrachten viele Stunden in ihrem Zimmer auf der oberen Etage eines kleinen, aber gemütlichen Hauses in der Nähe von Covent Garden, wo sie mich in die Kunst der Liebe einführte. Und wenn unsere Körper angenehm erschöpft waren, griffen wir auf unseren Verstand zurück, saßen halb nackt auf dem Bett, tranken Wein und sprachen bis tief in die Nacht über die moderne Wissenschaft und Philosophie, und die Natur unserer Berufung als Sucher.
Ich lernte viel von Rebecca, vielleicht sogar mehr, als ihr bewusst war – obwohl sie vermutlich das Gleiche über mich gesagt hätte, denn es ist schwer, in den Armen des Geliebten nicht zumindest ein bisschen verwundbar zu werden. Doch ich glaube trotzdem, dass wir das Innere unserer Herzen voreinander behüteten.
Ich dachte wenig an das Leben, das ich in Schottland zurückgelassen hatte. Von Madstone Hall kamen Briefe – zuerst viele, dann im Verlauf der Zeit immer weniger. Ich schenkte ihnen nur wenig Beachtung, und so fiel mir gar nicht auf, dass sie ganz aufhörten. Ich hatte keine Zeit für solche Dinge. Am Tag stürzte ich mich in die Arbeit, während mich die Nächte wenn nicht in Rebeccas Bett so doch in Byrons Gesellschaft – dessen joviale Art ich sehr zu schätzen gelernt hatte – in den anrüchigeren Schenken von London fanden, zusammen mit den klügsten und besten jungen Männern der Sucher.
Einmal beging ich den Fehler, mich an einem Abend, an dem Rebecca mich erwartete, von Byron ins Cup and Leaf führen zu lassen. Als ich mich entschuldigen wollte, packten mich die Jungs am Kragen und rissen mich zurück auf die Sitzbank.
»Was glaubt Ihr, wo Ihr hingeht, Marius?«, sagte Richard Mayburn. »Ihr habt doch erst ein einziges Bier getrunken.« Richard war klein, stämmig und rothaarig, und er gewann jeden Trinkwettbewerb.
»Ich muss weg«, sagte ich und warf einen Blick aus dem Fenster, in der Hoffnung, den Mond sehen zu können, denn ich wusste, dass ich mich bereits verspätete.
Byron warf mir einen scharfen Blick zu. »Bei Zeus, eine Frau wartet auf Euch, nicht wahr, Marius? Ihr schlauer Hund.«
Mein Erröten reichte ihm als Antwort und rief allgemein schallendes Gelächter hervor.
»Wer ist die leckere kleine Schlampe?«, fragte Richard mit einem übertrieben anzüglichen Grinsen. »Und, was viel wichtiger ist, werdet Ihr sie mit uns teilen?«
»Nicht mit Leuten wie Euch, Richard Mayburn«, sagte eine kühle Stimme.
Wir alle drehten uns um und sahen Rebecca durch den Pub schreiten. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, denn sie gehörte nicht hierher, das aber auf eine wunderbare Weise, so wie eine Taube in einem Spatzenschwarm. Das rauchige Licht glättete ihre Züge, und ihr weinfarbenes Gewand unterstrich die Kurven ihres Körpers.
»Was tut Ihr denn hier, Rebecca?«, zischte Byron. »Das ist kein Ort für eine Dame.«
»Ich bin bloß gekommen, um das zu holen, was mir gehört«, sagte sie und legte eine Hand auf meine Schulter.
Byron drohten die Augen hervorzuquellen, und Richard stieß ein lautes Lachen aus.
»Gut gemacht, Marius«, sagte er mit einem Grinsen. »Jeder Mann bei den Suchern hat versucht, Rebecca zu freien, und ist kläglich gescheitert, und Ihr habt es geschafft. Was kommt als Nächstes? Ich schätze, Ihr werdet uns erzählen, dass Ihr einem der Philosophen persönlich begegnet seid.«
In der Ausgelassenheit des Augenblicks verlor ich jede Vorsicht. »Ich will das nicht länger vor euch geheim halten, Gentlemen. Der Mann, bei dem ich in Schottland lebte …«
»Hat angeblich einmal einen Philosophen gesehen«, unterbrach mich Rebecca geschickt. Ihre Finger gruben sich fester in meine Schulter. »Ja, das haben wir erfahren, bevor wir Euch besuchten, Marius. Auch wenn das bloß eine Geschichte ist, nicht mehr.«
Ich schaute auf. Rebeccas braune Augen funkelten im Lampenschein. Wusste sie, dass Master Albrecht einst einer von ihnen gewesen war? Byron und die anderen wussten es offensichtlich nicht, denn ihre Augen
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