Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
wurden bei ihren Worten ganz groß, und sie löcherten mich mit vielen Fragen über meinen ehemaligen Master. Aber ich beschränkte mich auf kurze Antworten, denn ich fühlte Rebeccas Blick auf mir ruhen, und ich erzählte ihnen bloß, dass er ein rätselhafter Gentleman gewesen war, der mich als Waisenkind aufgenommen und über den ich bis zu seinem Tod nur wenig erfahren hatte. Es war nicht einmal gelogen.
Nicht lange nach diesem Abend kühlte sich meine Affäre mit Rebecca ab. Ich besuchte sie immer seltener, und wenn ich kam, teilten wir nur selten ihr Bett. Trotzdem schien unsere Partnerschaft mit den Suchern stärker als je zuvor, und wir arbeiteten bei unseren Untersuchungen oft zusammen. Sogar so oft, dass ich fürchte, Byron wurde etwas eifersüchtig.
Byron war ein guter Junge, aber geradezu schrecklich unbeholfen Frauen gegenüber. Manchmal, wenn er welche ansprach, endete es damit, dass er Bier ins Gesicht geschüttet bekam. Zwar hatten die Sucher von Anfang an Frauen in ihren Reihen, doch zu dieser Zeit war Rebecca eine Seltenheit, denn ich hatte keine andere Sucherin kennen gelernt. Darum war es nur natürlich, dass sich Byron auf sie fixiert hatte; sie war die einzige Frau, mit der er reden konnte, ohne Bier ins Gesicht geschüttet zu bekommen. Ich hatte die Befürchtung, dass ihn meine Affäre mit Rebecca wütend machen würde. Aber er war von so freundlicher Natur, dass er kein Wort darüber verlor, und er blieb der gleiche joviale Gefährte wie zuvor.
Mein Aufstieg unter den Suchern nahm seinen Fortgang, und schon in meinem vierten Jahr als Sucher im Ersten Rang erreichte ich einen bedeutsamen Durchbruch. Es war ein Zufall, dass ich überhaupt darauf stieß, aber meine Instinkte alarmierten mich, dass etwas nicht so war, wie es den Anschein hatte, und weitere Untersuchungen bestätigten meine Eingebung.
In der Nähe des Hauses, in dem ich ein Zimmer gemietet hatte, kaum mehr als einen Steinwurf vom Tower von London entfernt, gab es einen Buchladen, in dem ich oft wegen seiner ungewöhnlichen Sammlung von Bänden – vor allem was Geschichte anging – herumstöberte. Ich plauderte oft mit dem Besitzer des Ladens, einem prächtigen, weißbärtigen Gentleman namens Sarsin. Als er von meiner Liebe für Vergils Aeneas erfuhr, schnalzte er mit der Zunge.
»Die römischen Poeten waren kaum mehr als Diebe, die die Griechen bestahlen«, sagte er, stöberte in seinen Regalen herum und trug viele Klassiker des alten Griechenlands zusammen. Danach wanderte ein großer Teil des Lohns, den die Sucher mir bezahlten, direkt in Sarsins Kasse, und ich verbrachte viele Stunden damit, an der Themse zu sitzen und über der Dichtkunst Homers und den Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides zu brüten.
Als ich zu den Werken Shakespeares überging, wurde ich misstrauisch. Sarsin behauptete, sein Onkel, vor ihm der Besitzer, hätte den Barden gekannt, denn er sei oft in den Laden gekommen. Ich bezweifelte das nicht. Denn wenn Sarsin diese Geschichten zum Besten gab, sprach er öfters, als sei er derjenige, der Shakespeare kennen gelernt hatte, statt sein Onkel.
Ich sagte mir, dass der Buchhändler aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ganz richtig im Kopf war. Aber irgendwie konnte ich das nicht so richtig glauben, und meine Nachforschungen bewiesen bald, dass ich Recht hatte. Sarsin behauptete, sein Onkel sei wie Shakespeare eine Art Dichter gewesen, und ich hatte ihn davon überzeugt, mir die Arbeiten seines Onkels zu zeigen und mir sogar ein vergilbtes Stück Pergament mit einem Lied zu leihen.
An diesem Abend verglich ich die Handschrift des Liedes mit der auf den Quittungen, die Sarsin mir für die gekauften Bücher ausgestellt hatte. Es gab keinen Zweifel; beide Dokumente waren mit derselben Handschrift geschrieben. Fest davon überzeugt, dass ich hier auf etwas gestoßen war, fing ich an, die ältesten Leute zu befragen, die ich in den Straßen um den Buchladen finden konnte, und bald traf ich eine alte Frau, die zwar fast blind, aber noch immer bei Verstand war und die sich an den vorherigen Ladenbesitzer erinnern konnte. Sie beschrieb ihn als einen ansehnlichen, älteren Mann mit weißem Bart, dünner werdendem Haar und strahlend blauen Augen.
Es war natürlich Sarsin. Nicht der Onkel, sondern ein und derselbe. Nachforschungen in den Akten der Stadt bestätigten mir, was ich da bereits schon wusste. Ungefähr alle fünfzig Jahre ›starb‹ der Besitzer des Queen's Shelf und überließ den Laden
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