Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
seinen Erben. Aber auch wenn sich die Namen änderten, blieb die Handschrift auf den Urkunden immer dieselbe. Es gab nur eine Antwort: Sarsin besaß diesen Laden seit anderthalb Jahrhunderten, und in dieser Zeit war er nicht einen Tag gealtert.
Aufgeregt berichtete ich meine Erkenntnisse Rebecca und Quincy Farris, unserem Vorgesetzten in der Organisation, und da bekam ich den ersten Streit mit den Suchern, denn Farris bestand idiotischerweise darauf, Sarsin darauf anzusprechen. Das verstieß natürlich eindeutig gegen das Erste Desiderat. Die Philosophen hatten die Neun Desiderate im Buch niedergelegt, und jeder Sucher schwor beim Eintritt in die Organisation, sich daran zu halten. Aber Farris war ein übertrieben ehrgeiziger Mann, und zweifellos glaubte er, wenn er Sarsin für sich gewinnen konnte, mir diese Entdeckung stehlen und sie als die seine ausgeben zu können, um auf diese Weise seinen Aufstieg bei den Suchern weiter zu fördern.
Seine Handlungen hatten den gegenteiligen Effekt; Farris wurde seines Ranges als Meister enthoben und aus der Organisation herausgeworfen. Eine Woche später hängte er sich in einem dreckigen Zimmer in Cheapside auf. Unglücklicherweise konnte sein Tod den angerichteten Schaden nicht wieder gutmachen, denn jetzt wusste Sarsin über die Sucher Bescheid, und er lehnte jedes Gespräch mit uns ab, mich eingeschlossen. Die Akte Sarsin wurde geschlossen und sämtliche betreffende Dokumente in den Katakomben der Sucher versiegelt. Dort gerieten sie in Vergessenheit – allerdings behielt ich eine Kopie von Sarsins Lied für meine persönliche Sammlung. Aus einem mir unerfindlichen Grund regte es meine Fantasie an, vor allem der letzte Vers.
Wir leben unser Leben, als wär's ein Kreis,
wir wandern drauflos und voraus.
Dann, nach Feuer und Staunen,
enden wir wieder dort, wo alles begann.
Auch wenn Farris' Einmischung den Fall kaputtmachte, blieb meine Entdeckung von Sarsin nicht unbemerkt, und im Sommer wurde ich in den Rang eines Meisters befördert – der gleiche Rang, den Rebecca innehatte, und viel früher als Byron, der noch immer ein Sucher im Ersten Rang war, obwohl der gutherzige Bursche sich ehrlich für mich zu freuen schien. Wir feierten mit viel Bier, und in meiner Welt war alles besser, als ich mir jemals hätte träumen lassen. Dann, an einem langweiligen Herbsttag im Jahre 1679 wurde der Samen für meinen Untergang gesät – auch wenn ich das zu dieser Zeit noch nicht wissen konnte.
»Ich glaube, Euch wird dieser Auftrag gefallen«, sagte Rebecca und warf mir ein zusammengefaltetes Stück Pergament zu. Es war der 1. Oktober, London lag unter einer dichten Nebeldecke, und wir hatten uns in ein warmes, gemütliches Kaffeehaus in Covent Garden zurückgezogen, um der Kälte zu entkommen.
»Worum handelt es sich?«, fragte ich, fing das Papier auf und drehte es um. Es war mit einem roten Wachssiegel verschlossen. In das Wachs war das Bild einer Hand mit drei Flammen eingeprägt.
»Woher soll ich das wissen?«, fragte sie und hob eine Braue. »Es kommt direkt von den Philosophen.«
Byron beugte sich über den Tisch; in seinen blauen Augen lag ein aufgeregtes Funkeln. »Macht schon, Marius. Öffnet es.«
Obwohl ich genauso neugierig wie Byron war, zwang ich mich dazu, das Siegel langsam zu brechen. Ich faltete den Brief auseinander und überflog die Zeilen. Sie waren in einer eleganten Handschrift geschrieben.
»Was für eine schreckliche Bürde«, summte Rebecca in einem tragischen Tonfall. »Ihr sollt einer adligen Lady folgen und sie im Auge behalten. Ich habe gehört, dass sie ganz hübsch sein soll. Armer Marius.«
Ich schaute sie über den Briefrand finster an. »Ausflüchtemacherin. Ihr habt die ganze Zeit gewusst, worum es bei deinem neuen Auftrag geht.«
Rebecca grinste und trank einen Schluck Schokolade.
»Eine schöne Lady verfolgen?«, sagte Byron verletzt und griff nach dem Brief. »Warum habe ich diesen Auftrag nicht bekommen?«
»Weil ich der Meister bin«, erwiderte ich mit einem Lachen und schob das Papier in meine Samtjacke, bevor er es mir entreißen konnte. Ich stand auf. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, es hat den Anschein, als hätte ich zu tun.«
Trotz meiner leichtfertigen Art klopfte mein Herz, als ich das Kaffeehaus verließ. Das war mein erster Auftrag, seit ich zum Meister befördert worden war, und der erste, der direkt von den Philosophen kam. Ich hatte etwas Interessantes erwartet, vielleicht sogar etwas
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