Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
ich fest überzeugt – konnte ich alles Nötige erfahren, um meinen Plan endgültig zu vollenden.
Nachdem ich im Stiftungshaus Feierabend gemacht und es verlassen hatte, und zwar so, dass mich mehrere andere Sucher gesehen hatten, wartete ich bis zum Einbruch der Dämmerung, dann griff ich nach einem meiner ältesten Tricks, hüllte mich in die Schatten der Nacht und schlüpfte wieder ins Stiftungshaus. Ich schlich mich in den Raum mit dem verschlossenen Kasten. Augenblicke später hörte ich Schritte, die Tür öffnete sich.
Es war Rebecca. Ich erstarrte, als sie sich in dem Raum umsah, aber ihr Blick glitt über die Ecke hinweg, in der ich mich verbarg. Sie nickte, schloss die Tür, und ich hörte einen Schlüssel, der sich im Schloss umdrehte. Ich war im Zimmer eingesperrt; es gab keine Fenster, durch die ich hätte entkommen können.
Ich wartete lange Stunden, bis ich mir sicher war, dass Mitternacht vorüber war. Ich bekam Kopfschmerzen, unter denen ich noch immer häufig litt, dann fing ich an zu dösen. Ein Laut machte mich hellwach: ein Schaben. Eine der Steinfliesen des Bodens hob sich. Goldenes Licht flutete durch die Öffnung.
Eine schwarz gekleidete Gestalt stieg aus der Falltür, ging zu dem Kasten, schloss ihn auf und legte einen versiegelten Brief hinein. Die Gestalt verriegelte den Kasten wieder und zog sich durch die Falltür zurück, die sie hinter sich zuzog.
Ich zwang mich, hundert Herzschläge zu zählen, auch wenn diese sehr schnell waren, dann schlich ich los und fuhr mit den Händen über den Boden. Die Falltür war so kunstfertig gemacht, dass man keine Spur davon entdecken konnte, nicht mal, wenn man den Boden abtastete. Aber ich verfügte über andere Sinne, die in meinen Jahren in dem dunklen Labyrinth unter Edinburgh geschärft worden waren. Jetzt, wo ich wusste, wonach ich Ausschau halten musste, konnte ich den Hohlraum unter einer Fliese spüren. Aber ich fand keine Möglichkeit, sie zu heben. Ich versuchte mein Messer in den Spalt zu zwängen, aber die Klinge brach ab. Es war sinnlos; die Falltür konnte nur von unten geöffnet werden. Verzweifelt legte ich den Kopf auf den Boden.
Und hörte Stimmen.
»Ich habe den Brief ausgeliefert«, sagte eine mir unbekannte Männerstimme.
Eine Frau antwortete. »Sehr gut. Ich halte es schon lange für überfällig, dass er neue Befehle bekommt.«
Der Stein unter meinem Ohr summte und trug ihre Stimme zu mir, genau wie in der Flüstergalerie. Dort unten, wo die beiden standen, musste es einen Gang geben. Ich drückte das Ohr näher an den Boden, strengte mich an, die Worte zu verstehen.
»… und er hat sich wieder bewährt«, sagte die Frau. »Anscheinend hat ihn Adalbrechts Einfluss doch nicht ruiniert, denn schlussendlich haben wir einen prächtigen Sucher aus ihm gemacht.«
Ich spannte mich an, und das nicht nur, weil sie von mir wie auch von meinem Master sprachen, sondern weil ich ihre Stimme erkannte. Vor Jahren hatte ich in den Schatten vor dem Arbeitszimmer meines Masters gehockt und gehört, wie dieselbe Stimme zu ihm sagte: Wir sind gekommen.
Ich war ein Narr gewesen. Die Philosophen benutzten keine Boten, die mich zu ihnen führen konnten; sie würden ihre Geheimnisse niemals auf diese Weise riskieren. Sie lieferten die Briefe selbst aus. Aber sie glaubten, dass sich niemand in dem Raum über ihnen aufhielt, und mein Gehör, das schon immer ausgezeichnet gewesen war, war durch meine Aufregung und mein Entsetzen übernatürlich scharf.
»Adalbrecht«, sagte der Mann voller Abscheu. »Wir müssen nächsten Monat nach Knossos reisen, sonst enden wir noch wie er.«
»Das braucht Ihr mir nicht zu sagen.« Die Stimme der Frau war scharf; ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie ihre goldenen Augen blitzten.
»Ich frage mich noch immer, warum er sich so entschieden hat«, sagte der Mann. Seine Stimme wurde leiser; sie gingen fort. »Warum er den Tod wählte.«
»Adalbrecht war immer der Schwächste von uns. Erinnert Euch, er hat als Letzter von den Schläfern getrunken und …«
Ich hörte ihre Stimme nicht mehr und glaubte, dass sie weg waren. Dann flüsterte der Stein erneut zu meinem Ohr. »… und er hat immer seltsame Ideen gehabt. Aber wir haben seine Schriften nie finden können. Ich schätze, wir werden niemals erfahren, was er gedacht hat, und es spielt auch keine Rolle. Er ist tot.«
»Etwas, das uns nie passieren wird.«
Das Gelächter des Mannes war das Letzte, das ich hörte. Dann hörte der Stein auf zu
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