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Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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dem Boden gesessen und mit einem Zweig Kreise in den Dreck gezeichnet, bis die Männer des Königs gekommen waren, um ihn in den Kerker zu schleifen. Später hatte Aryn von einem anderen Dorfbewohner erfahren, dass die Frau und die Kinder des Mannes gesund und glücklich gewesen waren und dass er der stolzeste Bauer des ganzen Dorfes gewesen war.
    Aryn hob den Blick von den Flammen himmelwärts. Sie brauchte nicht mehr nach Norden zu schauen, um ihn sehen zu können; der Riss war im Verlauf der letzten Tage gewaltig gewachsen und breitete sich wie ein Pesthauch über den halben Himmel aus und verdeckte die Sterne. Er war jetzt selbst am Tag zu sehen und zeichnete sich als Schatten vor dem blauen Firmament ab, und er ließ das Sonnenlicht schwach und fahl erscheinen.
    Die Nachtluft wehte durch das Fenster, und Aryn rümpfte die Nase, als sie den widerlichen Gestank vom Burghof herantrug. In diesen Tagen roch das ganze Schloss faulig. Die meisten Diener waren gegangen, und die wenigen, die geblieben waren, taten so wenig, dass sie genauso gut mit den anderen hätten gehen können. Aryn hatte angefangen, die Nachttöpfe selbst zu leeren, und sie war gezwungen, wie jeder andere auch in der Küche nach Lebensmitteln zu suchen, die noch nicht verdorben waren. Seit Tagen waren keine Waren mehr ins Schloss gekommen, und auf der Straße, die zum Tor hinaufführte, standen im Stich gelassene Karren. Vor zwei Tagen hatte sie ein wenig Milch bekommen, indem sie einen Jungen davon hatte überzeugen können, eine Kuh zu melken, die auf dem Unteren Burghof verlassen und mit geschwollenem Euter brüllte.
    Auf dem Rückweg ins Schloss war sie an einer alten Frau vorbeigekommen, die tot im Schlamm des Burghofs gelegen hatte. Leute waren an ihr vorbeigeschlurft, ohne auch nur einen Blick für sie übrig zu haben. Aryn hatte dreimal nach den Wächtern rufen müssen, bevor jemand gekommen war, um die Leiche fortzuschaffen.
    Am selben Tag war Teravian ausgeritten. Bei seiner Rückkehr machte er eine grimmige Miene. Er hatte ganze Dörfer entdeckt, die verlassen worden waren, und das Getreide, das zur Ernte bereit war, war sich selbst überlassen worden und würde auf den Feldern verfaulen.
    »Wo sind die Menschen denn alle hingegangen?«, hatte Aryngefragt.
    »Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe mehr als einmal Geschichten über Leute in weißen Gewändern gehört. Sie versammeln sich auf Hügeln, heben die Arme zum Himmel und warten. Warten auf etwas. Ich habe ein paar von ihnen auf der Straße gesehen. Im ersten Augenblick haben sie mich an die Rabenkultisten erinnert. Aber sie waren in Weiß gekleidet, nicht in Schwarz, und sie waren stumm. Ich sprach sie an, aber sie starrten mich bloß mit offen stehenden Mündern an. Ich habe in die Augen einer Frau geblickt, die mit ihnen marschierte, und ich habe da nichts gesehen, Aryn. Gar nichts.«
    Er hatte gezittert, und sie hatte ihn gehalten und sich gewünscht, sie könnte etwas zusammenbrauen, das ihn beruhigen würde. Aber sie schien vergessen zu haben, wie man den einfachsten Trank herstellte. Ihr Verstand war verwirrt; sie konnte nicht richtig denken. Verstört hatte sie versucht, Lirith durch die Weltenkraft zu erreichen, um die andere Hexe zu fragen, wie man einen beruhigenden Trank herstellte. Aber sie hatte Liriths Lebensfaden nur einen Augenblick lang berühren können.
    Die Sterne verlöschen, hatte Lirith gesagt. Sie kommt nicht zurück.
    Das war alles. Aryn hatte immer wieder mit ihrem Geist nach ihr gerufen, sogar mit ihrer Stimme, aber sie hatte Lirith nicht wieder erreichen können. Trotzdem hatte sie verstanden, was Lirith gemeint hatte, wer nicht zurückkehren würde.
    Grace. Es war Grace, an die Lirith gedacht hatte.
    Aryn legte eine Hand auf ihren dicken Bauch, aber sie konnte das Baby darin sich nicht bewegen fühlen. Sie versuchte das winzige Leben mit der Gabe zu ertasten, aber die Fäden waren zu fein, zu sehr ineinander verschlungen. Vielleicht gab es da auch kein Leben mehr, das man ertasten konnte. Vielleicht hatte der Mann, der sein Zuhause, seine Familie verbrannt hatte, ja Recht gehabt. Vielleicht gab es ja wirklich keine Hoffnung mehr.
    Hinter ihr stieß Teravian im Schlaf ein leises Stöhnen aus. Wieder die Albträume. Aryn wusste, sie hätte ins Bett gehen sollen. Stattdessen blieb sie am Fenster stehen, schaute in die Nacht hinaus und sah den lodernden Flammen zu.

4
    Die Sonne sank dem Horizont entgegen und verströmte ihr Licht wie Blut über die

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