Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
zusammengezogen.
Nein, sie weigerte sich, das zu akzeptieren. Er konnte nicht tot sein, nicht nach allem, was sie erlebt hatten, nicht nach allem, was sie gemeinsam überlebt hatten. Sie blies ihm wieder zweimal Luft ein.
Vani führte wieder die Herzmassage durch, und wieder blies Grace Luft in seine Lungen. Fünfmal wiederholten sie das Muster, zehnmal. Grace wurde es schwindelig; Schweiß strömte Vanis Gesicht herunter. Die anderen hatten in dem schwindenden Licht mit angespannten Gesichtern um sie herum Aufstellung genommen. Travis regte sich nicht.
Es ist sinnlos. Er war zu lange dort unten. Herzmassage kann den Hirntod nur eine gewisse Zeit herauszögern. Es ist Zeit, ihn …
»Nein!«, schrie sie, außer sich vor Wut über die Ärztinnenstimme in ihr, über ihren trockenen, emotionslosen Tonfall. Das war nicht bloß ein weiterer Patient. Das war Travis. Der süße, tapfere, dumme Travis, den sie mehr geliebt hatte als jede andere Person auf dieser oder jeder anderen Welt.
»Weg da«, stieß sie hervor und schubste Vani zur Seite.
Sie setzte sich rittlings auf ihn. Sie hob die Faust, dann schlug sie auf Travis' Brust. Sein Körper zuckte durch die Wucht des Schlages, lag danach wieder reglos da. Sie sah nach, aber da war noch immer kein Puls. Sie ballte die Faust und schlug wieder in die Mitte des Brustbeins. Wieder. Und wieder.
Farrs Finger schlossen sich um ihr Handgelenk, als sie die Hand erneut hob. »Hört auf, Grace. Lasst ihn gehen.«
Eiseskälte überkam Grace, zusammen mit einer stählernen Gewissheit, die nur durch reine, ungezügelte Wut geschmiedet werden konnte. Sie sah Farr an, und sie sah ihre Augen sich in den seinen widerspiegeln. Grüne Funken blitzten in ihnen.
»Lasst meine Hand los, sofort, oder ich werde Euch töten.«
Farr wich mit offen stehendem Mund zurück. Grace vergaß ihn sofort wieder. Sie schaute auf Travis herab. Es war fast so, als würde seine Stimme in ihrem Bewusstsein flüstern. Ich glaube an dich …
Sie glaubte auch an ihn. Und sie würde ihn nicht gehen lassen. Grace hieb mit der Faust auf seine Brust. Hart.
Travis riss die Augen auf.
Sein Rücken beugte sich durch, er schnappte keuchend nach Luft. Er packte Graces Arme – so hart, dass es weh tat, aber das war ihr egal. Sie zog ihn in eine sitzende Position hoch, und er lehnte sich gegen sie, sein ganzer Körper zitterte, während er Sand aushustete. Nach einer Minute normalisierte sich seine Atmung. Sie überprüfte seinen Puls: Er war schnell, aber gleichmäßig. Dann tastete sie mit ihren anderen Sinnen. Sein Lebensfaden leuchtete, eine strahlende Mischung aus blauem Silber und geschmolzenem Gold.
Sie öffnete die Augen und lächelte ihn an. »Willkommen zurück, Travis.«
Er legte ihr die Hand an die Wange und grinste trotz seiner Schmerzen. »Ich wusste, dass du mich zurückholst.«
»Ich hätte dich nie zurückgelassen«, sagte Grace, und die Tränen auf ihren Wangen verdunsteten. »Nicht für alles auf der Welt.«
Sie schaute auf, aber Farr hatte ihr bereits den Rücken zugewandt und ging weg.
5
Sie kehrten zu ihrem Lager in der toten Oase zurück. Vani und Avhir boten sich an, Travis zu tragen, aber er konnte mit etwas Unterstützung von Grace und Larad allein laufen.
Sie fanden die Kamele tot vor, aber damit hatten sie gerechnet. Die Tiere lagen am Boden, die Kadaver blutleer. Der Wind zerrte bereits an ihnen, und bald würden sich ihre Knochen zu den anderen gesellen, die die Oase umgaben. Sie ruhten sich eine Zeit lang aus, tranken und aßen etwas, obwohl Travis nur Wasser zu sich nahm. Die Nacht brach herein, und obwohl sie kein Feuer machten, hatte Grace den Eindruck, dass Travis' Haut in der Dunkelheit hell schimmerte.
»Ich habe geglaubt, du wärst tot, Travis, als du in den Treibsand gesprungen bist«, sagte Vani. Ihre goldenen Augen funkelten in der Dunkelheit wie die einer Katze. »Aber du lebst. Sicherlich ist das Schicksal.«
»Ich glaube, das Schicksal hatte in dieser Angelegenheit etwas Hilfe«, erwiderte Travis und hielt Sinfathisar hoch. Der Stein des Zwielichts schimmerte im Mondlicht. Er legte ihn zurück zu den beiden anderen Imsari in das Kästchen und schloss den Deckel. »Vielen Dank, Larad.«
Larad erwiderte nichts, aber es hatte den Anschein, als würden sich seine Mundwinkel leicht nach oben hin verziehen.
Travis nahm Graces Hand. »In einem hat das Schicksal Recht behalten, Grace. Ohne dich wäre ich nie so weit gekommen.«
Grace drückte seine Hand. Die
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