Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
befriedigen. Ich. Alis. Sie hatten mich ihrem Sterben zusehen lassen für ihr kleines Experiment.
Zorn erfüllte mich. »Warum habt Ihr mir das nicht einfach gesagt?«
»Weil Ihr Adalbrecht zu sehr geliebt habt. Aus Loyalität zu ihm hättet Ihr das getan, um was er Euch gebeten hat. Ihr hättet ein zurückgezogenes Leben hier im Norden geführt. Das konnten wir nicht zulassen. Und so musstet Ihr es selbst herausfinden.«
Mein Zorn verrauchte. Ich war zu müde, verspürte zu viel Trauer. Sie hatten Alis benutzt wie die Schenkengäste. Genau wie sie mich benutzt hatten.
»Ich weiß, dass Ihr wütend seid, Marius«, sagte sie. »Aber das wird bald vergehen, Ihr werdet sehen. Euer altes Leben liegt nun hinter Euch. Die Schmerzen, die Ihr immer öfters verspürt habt – die Kopfschmerzen, die Müdigkeit –, die werdet Ihr nicht mehr haben. Ihr seid erneuert worden.« Sie streckte die Hand aus. »Es ist für Euch die Zeit gekommen, Euch uns anzuschließen.«
Die Wut wich Erstaunen. »Mich Euch anzuschließen? Ihr meint, ein Philosoph zu werden?«
»Ja. Ein Philosoph.«
Ich konnte es nicht verstehen. »Aber wofür braucht Ihr mich?«
»Adalbrecht ist von uns gegangen. Unsere Zahl ist eingeschränkt. Wir würden wieder zu siebt sein.« Sie musterte mich mit ihren goldenen Augen. »Und es ist zu spät für Euch, alles ungeschehen zu machen. Ihr seid wie wir, Marius, ob Ihr das nun wollt oder nicht. Es ist besser für Euch, wenn Ihr bei Euresgleichen seid.«
»Und wenn ich mich weigere, mich euch anzuschließen?«
Sie lächelte. »Ihr werdet Euch uns anschließen. Ihr seid viel zu neugierig, um es nicht zu tun. Und wie sollt Ihr sonst Adalbrechts Arbeit fortsetzen, die Schriften aus der Gruft zu übersetzen?«
Ich verfluchte sie, auch wenn ich wusste, dass sie Recht hatte, und wir reisten noch in dieser Nacht in einer Kutsche nach London.
Und so war ich der erste und einzige Sucher, der je zu einem Philosophen wurde. In den folgenden Jahrhunderten tat ich genau das, was Phoebe vorhergesagt hatte – ich führte die Arbeit fort, die mein Master begonnen hatte, versuchte die Schriften aus der Gruft der Schläfer zu übersetzen, versuchte herauszufinden, worauf sie warteten.
Aber als die Kutsche in dieser Nacht von Madstone Hall fortrollte, wusste ich, dass es eine Sache gab, die Phoebe und die anderen nicht wussten – ein Geheimnis, das sie nie enthüllen würden. Ich dachte an Königin Dido, und wie sie sich auf den Scheiterhaufen geworfen hatte, als sie alles verlor, was sie je geliebt hatte. In gewisser Weise hatte ich das Gleiche getan. Denn der Marius, der ich gewesen war, war tot.
Doch ich blieb wie ein Geist, der nicht fortziehen kann, und ich sehnte mich immer nach Vergeltung. Aber ich war durch meine Verwandlung an sie gebunden. Während die Jahrhunderte vergingen, erwiesen sich Phoebes Worte als wahr. Das Blut der Schläfer kettete uns aneinander. Ich konnte ihnen nicht schaden – zumindest nicht direkt. Aber ich plante, ich wartete, und ich wusste, dass der Tag kommen würde, an dem die Zeit reif war und mir jemand helfen würde, meine Ziele zu erreichen.
Diese Zeit ist jetzt gekommen. Und die Person sind Sie.
Jetzt wissen Sie, was keiner außer unserer Art je gewusst hat. Jetzt kennen Sie die Wahrheit über die Herkunft der Philosophen.
Und ich bitte Sie, helfen Sie mir jetzt, sie zur Strecke zu bringen.
TEIL ZWEI
Der Katalysator
3
Aryn stand am Fenster ihres Schlafgemachs und betrachtete die in der Ferne lodernden Feuer in der Nacht.
Teravian lag in dem Bett hinter ihr, dem langsamen Rhythmus seines Atems nach zu urteilen, in tiefem Schlaf versunken. Es war sinnlos, ihn jetzt zu wecken: Sie entdeckte jetzt immer Feuer. Am Morgen würde Teravian seine Männer – zumindest die, die ihm noch geblieben waren – aus dem Schloss schicken, und sie würden weitere niedergebrannte Häuser vorfinden, vielleicht sogar ein ganzes Dorf.
Vor einer Woche war Aryn selbst zu einem Dorf geritten, das keine Meile von Calavere entfernt lag, und sie hatte mit dem Mann gesprochen, der seine Familie in ihrem Haus verbrannt hatte.
»Für sie gab es keine Hoffnung mehr«, hatte er auf die Frage geantwortet, warum er es getan hatte, und die Augen in dem rußgeschwärzten Gesicht hatten ins Leere gestarrt. »Nicht die geringste Hoffnung.«
»Was meinst du damit«, hatte sie gesagt und sich bemüht, ihn zu verstehen. »Waren sie krank?«
Aber der Mann hatte nicht geantwortet. Er hatte auf
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