Die letzte Schlacht
Bewohner waren Flüchtlinge. Vertriebene, die nicht mehr wussten, wohin, und die einen Ort finden mussten, an dem sie leben konnten, bis der Krieg vorbei war. Links und im Südwesten entdeckte er zahlreiche Banner der Legionen. Auch seine eigenen Kämpfer marschierten, um die Verteidigung des Walls zu verstärken. Es waren nicht genug. Es hätte vor Soldaten wimmeln sollen, und die Hufschläge und das Klirren der Hämmer hätten in den Ohren wehtun müssen, nachdem die Truppen mobilisiert waren.
Davarov runzelte finster die Stirn und machte sich auf den Weg zu den Schreibstuben.
»Wo stecken die bloß alle?«
Die Vorbereitungen an der Juwelenmauer liefen in einem Tempo ab, das Davarov nur loben konnte. Überall in der Nähe rannten Menschen umher, die eifrig ihren Aufgaben nachgingen. Sie hatten es eilig, waren aber nicht in Panik. Die Flüchtlinge hatten sicherlich unzählige Schreckensnachrichten mitgebracht, doch nur die müßige Hand zitterte vor Furcht.
Wieder unten auf dem Boden überquerte er die Hauptstraße, die durch die Tore, durch das Flüchtlingslager und weiter bis nach Neratharn führte. Er lief rasch zu dem zweistöckigen Gebäude im Zentrum der festen Bauwerke. Es war hübsch anzusehen, nach dem Vorbild einer klassischen estoreanischen Villa gebaut, mit Säulen vor dem Eingang, einem gepflegten Garten und sogar einem Springbrunnen. Das Wasser kam vermutlich aus dem Iyresee. Er zog die Augenbrauen hoch und blies die Wangen auf. Das war ein sehr aufwendiges Leitungssystem.
Die Wächter an der Einfriedung des Gebäudes grüßten ihn, indem sie die Faust vor die Brust schlugen. Davarov erwiderte den Gruß, nahm den Helm mit dem roten Federbusch ab und betrat die kühle Villa. Sie war eher schlicht eingerichtet. Hier hatte der praktische Sinn des Soldaten die Oberhand über den Schöpfergeist des Künstlers behalten. Der Boden bestand wie die Wände aus nacktem Stein. Die Türen waren schwere, einfache Holzplatten. In den Nischen standen einige Büsten von Kriegshelden. Davarov gefiel es, er hielt nicht viel von Prunk. Jedenfalls nicht in einem militärischen Gebäude.
Adjutanten wiesen ihn zu einer offenen Doppeltür auf der linken Seite. Dahinter lag ein Raum, der jetzt als Kommandozentrale diente.
Durch die offenen Fensterläden fiel das Tageslicht auf die Wände, die von Dienstplänen und Karten übersät waren. Auf Pulten mit schräg gestellten Arbeitsflächen waren weitere Dokumente ausgelegt und mit kleinen Standarten festgesteckt. Den Mittelpunkt des Raumes bildete ein riesiger Tisch mit einer Aussparung in der Mitte, in der drei Männer stehen konnten.
Auf dem Tisch lag eine Reliefkarte der Juwelenmauer, die alle Zufahrtsstraßen aus Neratharn und Atreska zeigte. Sämtliche Gebäude waren verzeichnet, Zeltsymbole markierten freie Bereiche. Die Flüsse waren farbig hervorgehoben, und auch die Hügel und Anhöhen waren maßstabsgerecht dargestellt. Zivilisten und Soldaten arbeiteten Seite an Seite an der Karte, fügten Markierungen der Legionen hinzu und schoben Geschütze an ihre Positionen. Rings um den Wall waren Angaben notiert, die ergänzt wurden, sobald neue Informationen über Truppenstärke und Zahlen der Flüchtlinge hereinkamen.
Der Posten an der Tür rief die etwa dreißig Anwesenden zur Achtung. Sie wandten sich sofort zu Davarov um. Cartoganev war am Tisch beschäftigt gewesen. Auch er salutierte und lächelte, doch die Begrüßung fiel knapp aus.
»Wir haben hier ein Problem, nicht wahr?«, begann Davarov. Er trat in den Raum und gab allen ein Zeichen, sich wieder um ihre Aufgaben zu kümmern. »Hier sind viele Menschen, aber viel zu wenig Soldaten.«
Cartoganev nickte. »Aus Tundarra und Dornos kommen keine Truppen. Auch Phaskar wendet sich von uns ab.«
»Gosland?« Davarov musste sich zusammennehmen, bis er alles gehört hatte.
»Es gibt Gerüchte über Schwierigkeiten, doch die Bärenkrallen sind angetreten. Andere Legionen aus Gosland ziehen sich im Augenblick noch aus Dornos zurück. Sie können unseren Rücken schützen, aber nicht viel mehr tun.«
»Neratharn?«
»Ist bereits vollzählig hier. Die Truppen aus Avam marschieren schon zur estoreanischen Küste.«
»Dann wäre das, was wir jetzt hier haben, auch alles, was wir bekommen«, sagte Davarov.
»So sieht es aus.«
»Wo sind die Geschütze?«
»Überwiegend noch in Hasfort, aber sie müssten inzwischen unterwegs sein«, erklärte Cartoganev. »Die meisten werden vor den Tsardoniern und den Toten hier
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