Die letzte Schlacht
blieb ein letzter Zweifel. Es war ermutigend, dass aus Westen keine Flüchtlinge mehr kamen, doch er war und blieb besorgt.
Wahrscheinlich ohne vernünftigen Grund. Außerdem ärgerte er sich über die schleppenden Vorbereitungen an der Juwelenmauer. Sie mussten sich einfach mit zu vielen Vertriebenen herumschlagen, und die von den Toten unterstützte tsardonische Truppe würde in etwa sechs Tagen eintreffen. Im Augenblick konnte er die Menschen noch kontrolliert aufnehmen, aber damit wäre es irgendwann vorbei. Früher oder später musste er die Tore weit öffnen und sie einfach durchlassen.
»General?«
Stöhnend blickte er von der Reliefkarte auf dem Tisch hoch, die er benutzt hatte, um nach der letzten Übung am Morgen die Aufmarschpläne zu überdenken.
»Gib mir Kraft und verschone mich vor Störungen. Ja, Zenturio, was gibt es? Bitte sage mir nicht, dass es um die Verpflegung der Flüchtlinge geht. Darüber haben wir schon oft genug gesprochen. Wenn ihnen unsere Maßnahmen oder die Preise der verdämmten Händler nicht passen, dann können sie sich aufmachen und verschwinden. Die Konkordanz ist groß und ziemlich leer.«
Der Zenturio nickte energisch. »Jawohl, Herr, aber nein, darum geht es nicht.«
»Was dann? Willst du mir erklären, warum die Starken Speere heute Morgen eine volle Stunde gebraucht haben, um vom Lager zum Wall zu gelangen?«
»Ja, Herr.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Wir haben den Befehl nicht rechtzeitig bekommen. Ich habe die Befehlsübermittlung überprüft und festgestellt, dass Eure Dokumente zu spät ausgeliefert wurden.«
»Das kann doch nicht sein«, erwiderte Davarov. »Ich habe alle Reiter etwa zur gleichen Zeit losgeschickt. Eurer hat sich wohl kaum unterwegs verirrt. Es sind nur anderthalb Meilen in offenem Gelände.«
»Ja, Herr«, sagte der Zenturio. »Aber das Pferd ist in eine Falle geraten, die vermutlich ein Flüchtling gegraben hat. Der Reiter musste den Rest des Weges zu Fuß laufen und wurde außerdem beim Sturz verletzt. Das Pferd lahmt.«
Davarov starrte eine Adjutantin an, die neben dem Tisch nervös von einem Fuß auf den anderen trat.
»Haben wir nicht einen Befehl erlassen, der das Fallenstellen innerhalb des Lagers untersagt?«, knurrte er.
Die Frau lief puterrot an. »Ja, General.«
»Warum muss ich mich dann mit solchen Dummheiten beschäftigen? Eine Armee von Toten marschiert hierher, und innerhalb meiner Mauern versuchen ein paar Leute, ihnen neue Kämpfer zu verschaffen. Das reicht mir jetzt.« Davarov klatschte die flache Hand auf die Karte, dass die Figuren und Fähnchen wackelten. »Entschuldigung.«
»Im Lager kann man erfolgreich Fallen stellen«, erklärte die Adjutantin. »Die Tiere holen sich die Reste. Das ist keine Entschuldigung, aber …«
»Verdammt richtig, das ist keine Entschuldigung!«, donnerte Davarov. Alle drehten sich zu ihm um. »Da ihr gerade alle zuhört, sollt ihr noch ein oder zwei Dinge erfahren. Dies ist kein Spiel. Wir zeichnen diese Karte nicht, um der Langeweile zu entgehen. Ich gebe keine Befehle aus Lust und Laune. Den nächsten Bürger, der innerhalb des Geländes eine Falle stellt, werfe ich eigenhändig von der Mauer. Wenn sie unseren Schutz wollen, dann sollen sie unsere Anordnungen befolgen.«
»Ich …«
Es klopfte laut an der Tür, und im gleichen Augenblick ging sie auch schon auf.
»Wenn du nicht der verdammte Roberto Del Aglios höchstpersönlich bist, dann …«
Er hielt inne und konnte nicht fassen, wer da in den Raum trat.
»Du hast ein Problem, alter Freund. Die Hälfte deiner Artillerie zielt in die falsche Richtung, und dir fehlt eine zweite Mauer.«
»Hallo, Roberto. Ich glaube, du könntest mal ein Bad vertragen.«
23
859. Zyklus Gottes,
10. Tag des Genasab
E s tut mir unendlich leid, Roberto. Er war ein tapferer junger Mann. Jeder Bürger der Konkordanz wird um ihn trauern.«
»Keiner so sehr wie meine Mutter.«
Roberto und Davarov liefen auf der Juwelenmauer entlang. Allein schon die Tatsache, dass sie sich dort gemeinsam aufhielten, hob die Moral der Truppe beträchtlich. Davarov hatte einräumen müssen, dass das Wissen um die sich nähernden Toten die Standhaftigkeit der Soldaten und Zivilisten merklich untergrub. Er trug diese Erkenntnis voller Schuldgefühle, als hätte er persönlich versagt.
»Atreska hat dich im Stich gelassen«, meinte er.
»Wenn du das noch einmal sagst, werfe ich dich über die Mauer«, drohte Roberto. »Die Tatsache, dass du hier stehst,
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