Die letzte Schlacht
Konkordanz bewachten immer noch ihre früheren Gegner, wenn sie rasteten. Niemand sollte vergessen, dass sie sich auf dem Land der Konkordanz befanden.
»Wie lange noch, bis wir die Grenze von Atreska erreichen?«, fragte Ruthrar.
Wie in den letzten vier Tagen ritt er auch jetzt neben Kell. Da sie sich ständig unterhalten hatten, beherrschte er die estoreanische Sprache inzwischen viel besser. Kell war ihm durchaus freundlich gesonnen. Er war nur ein Soldat, der tat, was seine Herrscher von ihm verlangten. Jetzt war er in einem fremden Land gestrandet. Sie hatte nach Täuschung und Verrat in ihm geforscht und nichts gefunden. Er hatte ihr offen von den tsardonischen Kräften berichtet, die seines Wissens gegen die Konkordanz marschierten, und keine einzige Frage über die Verteidigung der Konkordanz gestellt, wie sie es fast erwartet hatte. So konnte Kell nur zu der Schlussfolgerung gelangen, dass seine erste Zusicherung, er wollte lediglich seinen König vor der Gefahr warnen, die Gorian jetzt darstellte, aufrichtig gewesen war.
»Wenigstens noch dreißig Tage. Dabei unterstelle ich, dass wir trotz der Verfassung unserer Fußsoldaten nicht langsamer werden. Es ist kein widriges Gelände, doch wir können nicht die ganze Zeit über auf der Straße laufen. Möglicherweise finden wir Transportgelegenheiten am Fluss, aber auch darauf würde ich mich nicht verlassen. Es wird ein anstrengender Marsch.«
»Und dann?«
Kell zuckte mit den Achseln. »In Atreska entlasse ich Euch und Eure Männer, damit Ihr Euren König warnen könnt. Ich bleibe bei meinen Leuten, um Euren Rücken und zugleich unsere Front zu schützen. Ich bete nur, dass Khuran auf Euch hört.«
»Er wird auf mich hören.«
»Ihr seid Euch Eurer Sache sehr sicher.«
»Er kann jeden unter meinem Befehl befragen und wird immer das Gleiche hören. Außerdem wird er sehen, woher ich komme. Ihr solltet mich begleiten, um ihn kennenzulernen.«
Kell schüttelte den Kopf. »Nein. Meine Pflicht gebietet mir, unsere Verteidigung zu verstärken. Die Toten sind uns auf den Fersen. Ihr müsst sie von vorne angreifen, und ich gehe sie aus dem Rücken an.«
»Ich verstehe.« Ruthrar betrachtete sie. Er besaß einen scharfen Verstand und spürte, dass sie ihm etwas vorenthielt. »Was ist aus Euren Leuten geworden, die an den Klippen entkamen? Roberto Del Aglios war doch bei Euch, oder?«
»Ja.«
»Und Euer Gemahl. Ein Held der Schlacht in den Gawbergen.«
Kell biss sich auf die Unterlippe und starrte die Mähne ihres Pferdes an. Sie versuchte, nicht an ihren Mann zu denken, doch die Gedanken kamen, sobald sie die Augen schloss. Es war so schwer zu glauben, dass er gefallen sein sollte. Noch schwerer war es jedoch zu hoffen, dass er und Roberto entkommen waren. Diese ekelerregende Lawine, die auf sie zugerollt war, und sie hatten es noch nicht einmal bis zum Weg geschafft, als Kell sich hatte zurückziehen müssen. Dann hatte sie beide aus den Augen verloren. Was sollte sie ihren Kindern sagen, wenn er nun in der Armee der Toten marschierte? Was erzählt man einem kleinen Jungen, der seinen Vater vergöttert und für unbesiegbar hält? Oder einer Tochter, die sich über das Lächeln ihres Vaters freut und in der Legion dienen will, um die ärztliche Kunst von Dahnishev sogar zu übertreffen?
»Dahnishev …« Sie unterbrach sich.
»General?«
»Drei große Männer waren an den Klippen, als Gorian seine Toten losließ. Ich kann nicht glauben, dass einer von ihnen überlebt hat.« Sie runzelte die Stirn. »Woher wisst Ihr von meinem Mann?«
»Es wäre respektlos, wenn ich weiterspräche. Ich kann Euch nur darin zustimmen, dass er und Del Aglios hoffentlich überlebt haben. Sie werden in der nächsten Zeit noch sehr nützlich sein.«
»Da sind wir einer Meinung. Aber erzählt es mir. Ich werde nicht beleidigt reagieren.«
Ruthrar hielt inne und wählte seine Worte mit Bedacht. »Ein verheiratetes Paar führt eine Elitelegion der Konkordanz. Diese Neuigkeit hat sich im ganzen Königreich Tsard sehr schnell verbreitet.«
»Wirklich?« Kell lachte. »Ich wusste gar nicht, dass wir so berühmt sind.«
»Nachdem ich Euch kennengelernt habe, bedaure ich es. Wir hielten es für eine Schwäche Eurer Advokatin. Ein Experiment, das scheitern musste.« Ruthrar lächelte verlegen. »Viele haben Witze darüber gerissen. Ihr könnt Euch sicher vorstellen …«
»Ich habe sie alle gehört. Doch es hat funktioniert, Ruthrar, das kann ich Euch schwören. Oder jedenfalls
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