Die letzte Schlacht
Gorians Herz aufgeregt in seiner Brust.
Er ließ sich von Kessian auf den Wagen helfen und schickte den Jungen dann zum Edlen Tydiol, von dem er etwas über die Toten unter seiner Kontrolle lernen sollte. Wenn der Junge eines Tages in nicht zu ferner Zukunft als General eine eigene Streitmacht befehligen sollte, dann musste er die Feinheiten der Energien begreifen und wissen, wie man jeden Einzelnen in der Masse steuerte und wie jeder die anderen speiste, bis eine starke Einheit entstand.
»Warum kann ich dir nicht helfen, Vater?«
»Wie könntest du mir denn helfen?«
»Lass mich Tiere besorgen, die unsere Wagen ziehen. So würde es leichter für dich.«
»Nein«, widersprach Gorian so heftig, dass Kessian zusammenzuckte. »Tieren kann man nicht trauen, und du darfst deine Kräfte nicht auf bloße Tiere verschwenden. Unser Heer besteht aus Menschen, und sie sind unsere Arbeitskräfte. Vergiss das nie.«
Stöhnend zog Gorian sich auf den Wagen. Seit dem Morgengrauen waren die Schmerzen ständig schlimmer geworden. Er raffte seine Toga und erschrak. Vom Saum seines schäbigen Gewands bis zu den Stiefeln war die Haut verfärbt. Braun und von dicken Adern durchzogen, hier und dort so trocken wie Baumrinde. An anderen Stellen war sie spröde wie welke Blätter.
Er schob den Stoff wieder zurück, als ihm bewusst wurde, dass seine Beine nicht sehr angenehm rochen. Aber das galt auch für die Erde selbst. Schimmel und Verwesung hatten ihren Platz neben fruchtbarer Krume und wachsenden Pflanzen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er sich fast im Handumdrehen wieder erholt hätte. An diese Fertigkeiten konnte er sich jetzt kaum noch erinnern.
Gorian legte sich einen Moment hin. Sein Körper war nicht wichtig. Die Kraft seines Geistes konnte ihn in der Verfassung erhalten, die nötig war, um sein Werk zu vollenden. Unzählige Energiebahnen gingen von ihm aus, Kessian und die Gor-Karkulas verstärkten sie und leiteten sie weiter zu den Toten. Alle waren mit ihm verbunden, wie die Lebenden durch die Erde mit dem Allwissenden verbunden waren.
An der Küste von Gestern rekrutierten sie Tausende neuer Kämpfer. Es war seine erfolgreichste Streitmacht. Überall hatte die Konkordanz versucht, sie aufzuhalten, doch der Widerstand hatte seine eigenen Reihen nur verstärkt. Die neuen Kräfte warteten nun, nährten sich durch die Erde unter ihren Füßen und blieben frisch für die schwierige Reise, die ihnen bevorstand. Viele würden fallen, doch genügend würden die Strapazen überstehen.
Wie eine Woge würden sie über Caraduk, Estorea und Easthale hereinbrechen. Kein Mensch, nur Gott konnte sie aufhalten.
Ein einziger Ort sollte verschont bleiben, weil jeder Mensch eine reine und reale Erinnerung brauchte. Für Gorian war es die Heimat.
In Atreska marschierten sie, ohne auf Widerstand zu stoßen, und stellten allen nach, die in Reichweite waren. Bisher hatten sie nur mäßige Erfolge gehabt, und Gorian musste dankbar sein, dass König Khuran mit seinen Zwölftausend hinter den Toten marschierte. Ihre Kämpfe hatten Gorian neue Untertanen beschert, und mit ihnen kamen die Geschütze, deren Diebstahl und Bergung er befohlen hatte.
Dennoch machte er sich Sorgen, weil die Atreskaner sich offenbar entschlossen hatten, keinen Widerstand zu leisten. Er wollte an der Grenze zu Neratharn gegen sie alle kämpfen, war aber unsicher, wie groß ihre Zahl noch war. Nun musste er dafür sorgen, dass seine Untertanen, die schon den langen Marsch von der tsardonischen Grenze hinter sich gebracht hatten, noch genügend Kraft besaßen, um die Verteidigung der Feinde zu zerschmettern. Zu viele stürzten einfach, weil die Verwesung die Oberhand gewann. Es musste doch eine Möglichkeit geben, sie länger am Leben zu halten.
Natürlich gab es diese Möglichkeit. Die Toten nährten sich von der schlummernden Kraft der Erde, genau wie die Pflanzen, die auch in diesem Genastro wieder durch die Krume brachen. Wundervolles neues Leben umgab seine Untertanen und schien sie zu verhöhnen, während sie langsam dahinschwanden, bis ihre verwesenden Körper sie im Stich ließen. Der Boden war jedoch voller starker, unerschöpflicher Energie. Die Pflanzen strahlten hell und gediehen in der Erde, die ihnen Stärke und Hoffnung schenkte. Diese Kräfte konnte er auf sein Volk übertragen.
Gorian entspannte sich, und sofort ließen die Schmerzen ein wenig nach. Es war ganz einfach, und er selbst sollte der erste Empfänger sein. Rings um den Wagen, der
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