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Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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räusperte sich und schluckte, und als er sich wieder zu ihr umdrehte, glaubte sie sogar, in seinen Augen einen feuchten Schimmer zu entdecken. Vielleicht spiegelte sich aber nur das Licht der Laternen in ihnen.
    »Ich lasse die Kanzlerin hereinbringen«, sagte er. »Sei vorsichtig.«
    Jhered verneigte sich und wollte gehen.
    »Paul.« Er drehte sich noch einmal um. »Eins nach dem anderen, was? Wir wollen erst dieses Chaos beseitigen und dann zurückholen, was uns gehört.«
    Er hielt einen Moment inne, dann nickte er leicht und verließ das Empfangszimmer. Herine lehnte sich seufzend zurück. Sie schnippte mit den Fingern, damit ein Diener ihren Kelch nachfüllte, doch die Diener waren längst entlassen. Sie fragte sich, wie sie sich in Pose setzen sollte, wenn die Kanzlerin eintrat.
    Es war schwer vorherzusagen, wie Felice Koroyan zu entwaffnen war. Vielleicht war dies auch nicht der richtige Augenblick für solche Spielchen. Herine stand auf und ging zum Balkon. Es dämmerte schon, doch die Feuer brannten auch in den frühen Morgenstunden weiter. Ein sichtbarer Ausdruck und ein treffendes Bild für die Unruhen, die im Namen der Kanzlerin ausgebrochen waren.
    Es klopfte. Herine drehte sich nicht um, als die Tür geöffnet wurde.
    »Kanzlerin Koroyan, meine Advokatin«, sagte ein Wächter.
    Herine entließ ihn mit einer Handbewegung, er schloss hinter sich die Tür. Die Kanzlerin kam näher.
    »Ist Estorr in der frühen Morgendämmerung nicht wunderschön?«, sagte Herine, als Koroyan nur noch wenige Schritte hinter ihr war. »Die blinkenden Lichter im Hafen, die unzähligen Springbrunnen, unsere weißen Mauern, wenn die ersten Sonnenstrahlen darauffallen. Die Aufrührer verbrennen leider stolze Gebäude, die schon seit Jahrhunderten stehen.«
    Nun erst drehte Herine sich um. Die Kanzlerin wirkte erschöpft, ihre Toga war nicht mehr ganz sauber. In ihren zerzausten Haaren, die dringend gewaschen werden mussten, hingen sogar noch einige Strohhalme. Offenbar hatte sie auch nur kleine Rationen Essen und Wasser bekommen.
    »Entspricht Euer neues Quartier nicht Euren Wünschen?«, sagte Herine. »Ihr hättet Euch natürlich lieber hier aufgehalten, am liebsten wohl in meinem Schlafgemach und auf meinem Thron, aber ich fürchte, mehr als die Zelle kann ich Euch nicht anbieten.«
    Die Kanzlerin zog es vor zu schweigen. Vorsichtig sah sie sich um, doch ihre Haltung war immer noch stolz, und sie fühlte sich offenbar ungerecht behandelt.
    »Es ist unglaublich. Ihr seid des fünffachen Mordes überführt, ganz zu schweigen von den Wachleuten, die gerade auf Posten waren. Ihr seid des Hochverrats schuldig, und möglicherweise gibt es sogar Beweise für Ketzerei, aber ich muss zuerst in den Gesetzen nachschlagen, was es bedeutet, wenn jemand, irgendjemand, versucht, die Stellvertreterin des Allwissenden auf der Erde zu ersetzen. Ich könnte Euch etwas mehr Achtung entgegenbringen, wenn Ihr Euch wie der arme Aurelius an die Buchstaben des Gesetzes gehalten hättet.
    Aber das ist das Problem mit Schlägertypen und Eiferern. Wenn es nicht läuft, wie sie wollen, greifen sie sofort zur Gewalt. Es wundert mich, dass Ihr nichts zu sagen habt. Immerhin seid Ihr doch der Ansicht, ihr hättet nichts Falsches getan.«
    »Es spielt keine Rolle, was ich sage. Ihr werdet mich so oder so vor Gericht stellen und hinrichten lassen.«
    »Das scheint derzeit ja sehr in Mode zu sein, nicht wahr?« Herine trat einen Schritt näher. »Wie könnt Ihr es überhaupt wagen, so zu reden? Meine Beamten wie der arme Senator Aurelius haben ihre Pflichten so erfüllt, wie sie es tun sollten, meint Ihr nicht auch?«
    »Aurelius hat das Gesamtbild nicht gesehen.«
    »Oh, er hat es sogar sehr deutlich gesehen, und genau das war sein Problem, nicht wahr? Und was ist mit dem armen Orin D’Allinnius? Was hat er nicht gesehen?«
    »Die Wissenschaft darf die Schöpfung des Allwissenden nicht zerstören.«
    Herine konnte nicht anders, sie riss die Augen weit auf. »Ich glaube, ich höre nicht recht. Sind wir gerade fünfhundert Jahre zurückgesprungen? Nicht einmal Ihr könnt Euch doch so an die alten Schriften klammern. Wir haben uns entwickelt, und wenn wir die Gläubigen schützen wollen, brauchen wir die Mittel, um sie zu verteidigen. Wenn dies bedeutet, dass wir Sprengpulver einsetzen müssen, dann bin ich sehr dafür. Und wenn es bedeutet, dass die Aufgestiegenen zum Zuge kommen, dann ist dies eben unsere Zukunft. Allerdings nicht mehr Eure Zukunft, jetzt

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