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Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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wieder daheim.«
    Harkov brach in Jhereds Armen zusammen und schluchzte schwer. Jhered hielt den Mann und streichelte sein mit Salz verkrustetes, verfilztes Haar, um ihn zu beruhigen. Sein Weinen war weit und breit der einzige Laut. Iliev kam näher heran.
    »Wir müssen wissen, was passiert ist«, sagte er. »Und woher er kommt.«
    »Ja, schon gut. Lasst mir und ihm einen Moment Zeit.«
    Endlich beruhigte Harkov sich, und Jhered schob ihn behutsam von sich fort, hielt ihn aber noch an den Schultern fest. Ein guter Soldat und ein tapferer Mann, einer der Tapfersten, die Jhered jemals getroffen hatte. Jetzt war er nur noch ein schauderndes, verschrecktes Wrack.
    »Harkov, könnt Ihr mich verstehen?« Harkov nickte. Seine wilden, blutunterlaufenen Augen suchten Jhereds Gesicht. »Könnt Ihr Euch erinnern, was geschehen ist? Könnt Ihr es mir sagen?«
    »Wie können es so viele sein? Wie konnten sie so weit kommen?«
    »Lasst Euch Zeit, Harkov. Eins nach dem anderen. Erzählt es von Anfang an. Ihr werdet Euch erinnern, dass ich Euch bat, durch Atreska zu reisen.«
    »Byscar. Ich wollte nach Byscar, ja. Alle meine Männer …«
    »Ja, schon gut. Byscar. Ihr solltet die Einwohner warnen und ein Schiff finden, das Euch nach Estorr zurückbringt. Nach Hause, wo Ihr jetzt endlich seid.«
    »Harban ging nach Gosland«, erwiderte der Offizier unvermittelt.
    Jhered schwieg und dachte darüber nach. »Das spielt jetzt keine Rolle. Konzentriert Euch. Was ist Euch zugestoßen? Harkov, wir müssen es wissen, und dann bringe ich Euch zu Eurer Frau und Euren Kindern.«
    Er reagierte nicht, schwieg eine Weile und forschte in seinem erschütterten Geist.
    »Harban ging nach Gosland. Gorian wandte sich dorthin, also ging Harban auch dorthin. Aber warum sind so viele von ihnen hinter mir her?«
    »Paul …« Iliev zog die Augenbrauen hoch. »Das bringt doch nichts.«
    »Wir tun, was wir können«, gab Jhered scharf zurück. »Er ist blind und weiß kaum, wo er ist. Glaubt Ihr denn, Ihr könntet mehr erreichen?«
    Harkov packte Jhered an den Ärmeln. »Sie kamen von Gestern heraufmarschiert. So viele, und sie haben nie gerastet. Hinter ihnen starb das Land. Wir mussten weglaufen.« Er wiegte sich auf der Ruderbank hin und her. »Wir mussten weglaufen, aber sie folgten uns wie Bluthunde. Wir führten sie direkt nach Byscar. Wir konnten sie nicht aufhalten. Wir konnten ihnen nicht standhalten. Bitte, bitte, bitte!«
    »Ruhig, Harkov«, sagte Jhered leise. »Schon gut. Lasst Euch so lange Zeit, wie Ihr braucht. Wie viele kamen aus Gestern?«
    »Mehr, als ich zählen konnte!«, antwortete Harkov mit erstickter Stimme. »So viele. Tausende. Auf dem Boot, das wir fanden …«
    Er machte mit der rechten Hand und dem Arm eine Geste, die an eine Schlange erinnerte.
    »Wir fuhren an der Küste entlang und versuchten, den Norden zu erkunden. Zu nahe, zu nahe.«
    Jhered schüttelte den Kopf. »Was meint Ihr damit, dass es zu nahe gewesen sei?«
    »Auf dem Schiff starb ein Mann. Wir hätten ihn gleich über Bord werfen sollen, doch wir wollten noch die Rituale des Meeres für ihn vollziehen. Ich ging schlafen, und als ich wieder aufwachte, waren die Toten überall auf dem ganzen Schiff.« Harkov schloss die Augen, als die Erinnerungen kamen. Als er sie wieder öffnete, waren sie klar, und in ihnen flackerte der Wahnsinn. »Ich konnte mich nicht verstecken«, rief er. »Ich konnte nicht weglaufen. Fünf von uns sind in ein Boot gesprungen. Die Toten haben uns verfolgt. Wir haben so lange gekämpft, aber immer, wenn wir einen ins Wasser geworfen hatten, schwamm er wieder zurück. Stunden und Stunden versuchten wir, sie abzuschütteln, aber sie sind geschwommen, geschwommen.«
    Seine Stimme brach. Er machte Schwimmbewegungen und legte das Gesicht in tiefe Falten.
    »Das Schiff – was ist aus dem Schiff geworden?«, fragte Iliev.
    »Die Toten sind überall!«, brüllte Harkov. »Sie sind auf dem Meer und auf dem Land ausgeschwärmt. Wir können sie nicht aufhalten. Bald sind wir alle wie sie. Paul, bitte beschützt mich vor ihnen.«
    Harkov brach zusammen. Jhered hielt ihn fest, damit er nicht in das schwappende Wasser fiel. Er blickte an Iliev vorbei zu den Booten, die sie umgaben, und dann zur schweigenden Menge auf der Mole.
    »Ich glaube, das hat jeder gehört, oder?«

 
11

     
    859. Zyklus Gottes,
    46. Tag des Genasauf
     
    D ie Kunde von Harkovs Ankunft im Hafen raste fast so schnell durch die Stadt wie Jhereds Pferd. Die Neuigkeiten ließen

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