Die letzte Schlacht
Mal war es anders. Rings um sich spürte sie nur Entschlossenheit und die Bereitschaft, das eigene Schicksal anzunehmen. Natürlich blieb die Frage, wie lange dies Bestand haben würde, wenn der Kampf erst begonnen hatte. Jedoch wollte Kell so lange wie möglich daraufbauen.
Sie winkte ihren Leuten, sich auf die Ausgangspositionen zu begeben, worauf die Kämpfer sich auf dem Hügel verteilten, den die Toten heraufkamen. Die Gegner erweckten nicht den Anschein, sie würden sich irgendwie auf die bevorstehende Schlacht einstellen. Tsardonier und die Toten der Konkordanz marschierten zu siebt nebeneinander. Die Geschütze und die paar Wagen waren von Toten umringt, und dahinter folgten noch weitere. Viele Tausend.
Kell wünschte, sie hätten Naphthalin oder sonst etwas, um ein ordentliches Feuer zu machen. Es war schon eine eigenartige Lage, in der sie sich jetzt befand. Sie hatte Robertos Entscheidung, den Vorstoß der Toten vor der Burg mit Feuer aufzuhalten, gebilligt. Jetzt aber, da sie einige wiedersehen würde, die sie kannte, und fast sicher sein musste, in ihre Reihen aufgenommen zu werden, konnte sie sich kein größeres Verbrechen vorstellen. Dennoch würde sie es bereitwillig begehen oder ihm zum Opfer fallen.
Die Toten reagierten endlich auf ihre Gegenwart. Es gab einige schwerfällige Manöver, und sie stellten sich in breiten Reihen auf. Einige machten Anstalten, an der steilen Hügelflanke emporzuklettern. Andere drängten sich um die Wagen und Geschütze.
Es wurde Zeit. Kell zog das Schwert. Den Schild hatte sie abgelegt, weil sie ihre Waffe zweihändig führen wollte. Sie nickte nach links und rechts, Hornsignale ertönten und wurden beantwortet.
»Ich wünsche uns allen viel Glück«, sagte sie. »Bleibt in der Nähe eurer Freunde und vergesst nicht, dass die Kämpfer, gegen die ihr jetzt antretet, nicht mehr die Lebenden sind, die ihr kanntet. Sie sind tot, und wir müssen sie in Gottes Umarmung zurückführen. Los jetzt.«
Eigentlich hatten sie keinen Plan, sondern nur ein paar Hoffnungen und Träume. Niemand hatte dies bisher versucht, und sie würden wahrscheinlich scheitern. Andererseits standen sie einer fünfzehnfach überlegenen Streitmacht gegenüber, in der niemand Furcht oder Schmerz empfand. Die gemeinsame Truppe der Konkordanz und Tsardonier rückte so schnell wie möglich vor. Keiner rannte, sondern sie trotteten, so gut es ging, ohne auf die Schmerzen zu achten und in der Gewissheit, dass bald alles vorbei wäre.
Kell lief in der ersten Reihe. Sie hatte eine wichtige Aufgabe übernommen, die gleich am Anfang mit großen Gefahren verbunden war.
»Bleibt bei mir, lauft erst auf meinen Befehl los.«
Hundert Soldaten der Konkordanz waren bei ihr, jeweils zehn nebeneinander. Ein einsamer Manipel, der eine Streitmacht von der Größe einer ganzen Legion oder mehr angriff. Die Toten bewegten sich jetzt etwas zielstrebiger, aber immer noch sehr unbeholfen. Kell hielt das Schwert vor sich und wechselte immer wieder den Griff.
Der Wind wehte bergauf und brachte den üblen Gestank von Tod und Verwesung mit sich. Es roch wie in einem Sumpf, oder als hätte ein ausgeweidetes Tier zehn Tage in der Sonne gelegen. Der Geruch war schockierend und schien in Nase und Hals zu haften, verstopfte die Lungen und brannte in den Augen. Blinzelnd vertrieb Kell die Tränen, die ihr die Sicht nahmen.
Die Toten näherten sich und wollten auf breiter Front angreifen. Es waren Tsardonier und Kämpfer der Konkordanz wie in ihrer eigenen Truppe, doch die Toten waren kaum voneinander zu unterscheiden. Zwanzig Tage Verwesung. Trotz allem, was Gorian dagegen tun konnte, der Verfall zeigte seine Wirkung. Gliedmaßen hingen nutzlos herab, die Haut schälte sich von den Gesichtern. Zuckende Muskeln störten den Marschtritt der Beine und verschlossen die Augen. Viele Bewegungen wirkten willkürlich, doch die Toten waren immer noch stark genug, um die Lebenden zu besiegen.
Kell spuckte aus und versuchte, den Geschmack loszuwerden und den Brechreiz zu überwinden. Sie konzentrierte sich auf die erste Reihe der Toten, schätzte die Lücken zwischen ihnen und die freien Räume an den Flanken ein. Es waren so viele, die jetzt gegen sie antraten. Erbarmungslos, unversöhnlich.
Inzwischen konnte sie Rüstungen und Abzeichen der Konkordanz erkennen, die Federbüsche der Zenturionen. Die grünen Schilde ihrer Legionäre, mit Schlamm und Unrat bedeckt. Wenn sie ausatmeten, entstanden kleine Wolken. Sporen, die der Wind
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