Die letzte Schlacht
König nicht warnen können. Er marschiert mit zwölftausend Kriegern, die auf Seiten der Konkordanz und nicht gegen sie kämpfen müssen. Nur dann haben wir eine Aussicht zu siegen.«
Kell nickte. »Dann müssen wir uns trennen, denn ich werde nicht meine Leute verlassen, während Ihr es tun müsst.«
»Ein anderer wird an meiner Stelle reisen.«
»Ihr seid der ranghöchste Offizier«, erwiderte Kell. »Niemand hier stellt Euren Mut und Eure Absichten infrage, doch ich kann nicht riskieren, dass unsere Botschaft bei König Khuran und den Befehlshabern der neratharnischen Verteidigung kein Gehör findet. Betet, dass Davarov überlebt hat. Dann wird die Konkordanz wenigstens nicht ihr Heil in der Flucht suchen.«
»Es wäre mir eine Ehre, neben ihm zu kämpfen.«
»Das gilt für uns alle.« Kell und Ruthrar starrten einander an. Sie war traurig darüber, dass ihre Freundschaft nur so kurz dauern sollte. »Nun? Was werdet Ihr tun?«
»Ich muss mit meinen Kriegern sprechen, wie Ihr mit Euren sprechen müsst.«
»Ich habe eine bessere Idee. Lasst uns eine Stunde lang mit doppeltem Tempo marschieren, und dann halten wir an und sprechen zusammen zu allen.«
»Ihr wisst, dass wir die Toten im offenen Kampf nicht aufhalten können. Wir sind vierhundertfünfzig, sie sind sechstausend oder mehr.«
Kell lächelte. »Das ist auch nicht meine Absicht.«
Es gab keine Proteste, als sie befahl, schneller zu marschieren. Sie behielt das Tempo bei, solange sie es wagte, und fand es sehr befriedigend, den Vorsprung vor den Feinden zu vergrößern. So empfanden auch die anderen, obwohl jeder wusste, dass sich dies rasch wieder ändern würde.
Auf einem Hügel, einem Ausläufer der Kaldeberge, ließ sie die Truppe schließlich anhalten. Von dort aus konnten sie zurückblicken und die Toten beobachten. Tausende marschierten durch das offene Gelände und hinterließen eine schwarze Spur. Es sah aus wie der Tod, und der Wind wehte ihren Gestank sogar bis hierher.
Sie vergewisserte sich, dass jeder sie sah. Die von toten Männern gezogenen Karren. Die von Toten geschobenen Geschütze. Tote Tsardonier und tote Bürger der Konkordanz. Sie schauderte, als sie daran dachte, wer sonst noch in den Reihen der Toten marschieren mochte. Die Pferde wurden von Kavalleristen versorgt, die bereits eingeweiht waren. Ruthrar und Kell sammelten unterdessen ihre Leute und wandten sich gemeinsam an sie. Zwei Stimmen, die ein und dieselbe Botschaft in Sprachen verkündeten, von denen niemand gedacht hätte, dass sie einmal in freundschaftlicher Verbundenheit erklingen würden.
»Wenn ich euch ansehe, bin ich stolzer als nach jedem unserer glorreichen Siege in der Vergangenheit, zu den Bärenkrallen zu gehören«, begann Kell.
Nur der Wind und Ruthrars Worte wetteiferten mit den ihren. Die Krallen standen neben den tsardonischen Kriegern, und es schien kindisch, sie jetzt zu trennen. Ihre eigenen Leute hielten sich etwas aufrechter, obwohl dadurch manch einer stärkere Schmerzen litt als nötig. Sie winkte ihnen.
»Setzt euch. Wir können jetzt auf Förmlichkeiten verzichten. Dies ist der Augenblick, den wir gefürchtet haben und dem wir uns jetzt stellen müssen. Wir sollten jede Gelegenheit nutzen, uns auszuruhen, und dies wird die letzte sein.« Sie holte tief Luft. »Ihr seid nicht dumm und nicht blind. Die Toten holen uns ein. In unserer jetzigen Verfassung können wir ihnen nicht bis Neratharn davonlaufen. Dennoch müssen wir dafür sorgen, dass unsere Botschaften und Wünsche dort gehört und verstanden werden. Wenn wir das nicht tun, war alles, was wir erreicht haben, vergebens. Deshalb müssen wir euch um eines bitten. Wir bitten euch, umzukehren und zu kämpfen. Nicht um zu siegen, denn das ist unmöglich. Ihr sollt euch auch nicht für nichts und wieder nichts opfern, denn das wäre unverzeihlich. Ihr sollt die Gegner aber kampfunfähig machen und schwächen, damit diejenigen, die nach uns kämpfen werden, bessere Aussichten haben.
Einige werden uns verlassen. Zwanzig Reiter nehmen Reservepferde mit, um möglichst schnell voranzukommen. Zehn von der Konkordanz und zehn Tsardonier. Ich werde bei euch stehen und mit euch kämpfen. Prosentor Ruthrar muss jedoch, wie ihr alle wisst, unsere Botschaft überbringen und weiteres sinnloses Blutvergießen verhindern, das nur unserem Feind nützen würde.«
Keine Stimme erhob sich, niemand hatte Einwände. Müde nahmen sie das Schicksal hin und waren erleichtert, dass sie nicht mehr laufen
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