Die letzte Schoepfung
geschehen. Sie war gefangen auf dem Rücksitz des Streifenwagens, ein Metallgitter zwischen ihr und den Türhebeln – und wie ein Rammbock fuhr dieser Verrückte mit seinem Truck immer wieder von hinten auf.
»Ja.« Der Deputy war nun nicht mehr so tapfer. Er hörte sich plötzlich sehr jung und sehr ängstlich an.
Dann riss er sich zusammen. »Warten Sie, Dr. Decker, ich versuch ihn abzuhängen.« Er trat das Gaspedal durch.
Es war den Versuch wert, doch leider zu spät. Der Streifenwagen war kein Gegner für den schwarzen Verfolger. Im Rückfenster sah Sydney, wie der Laster die Spur wechselte und sich von der Seite näherte. Der Stoß war wuchtiger als zuvor. Sydney hatte den Eindruck, dass der Fahrer nun erst richtig Ernst machte.
Der vierte Stoß war so hart, dass der Streifenwagen sich um die eigene Achse drehte. Die Zeit blieb stehen. Bäume und Asphalt wirbelten vorbei. In Sydneys Mund war der metallische Geschmack von Blut. Der beißende Gestank nach Benzin stieg ihr in die Nase. Sie hörte einen Schrei – ihren eigenen –, dann wurde alles dunkel.
***
Ethan widerstand dem Verlangen, das Gaspedal voll durchzutreten.
Er durfte nicht auffallen. Bald schon würde jeder Cop im County eine Beschreibung von ihm und dem Wagen haben. Wenn er noch einem Streifenwagen begegnete, der auf dem Weg zum Park war, würde es schwierig sein, die Gegend unbemerkt zu verlassen. Und wenn er auch noch mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr, hatte er keine Chance mehr.
Obwohl sein Verstand ihm sagte, dass Sydney für die nächsten Stunden in Sicherheit war, wollte er sie so schnell wie möglich da rausholen. Zum Glück war die Straße leer, sodass er Zeit hatte, alles zu durchdenken. Ethan fragte sich gerade, wie er Sydney aus dem Büro des Sheriffs befreien sollte, als er zwei Wagen vor sich sah: einen Streifenwagen des Countys, gefolgt von einem schwarzen Ford Pick-up – genau wie der, der es vorhin auf die Kinder abgesehen hatte.
Ethan trat das Gaspedal durch.
Der Pick-up klebte förmlich an der Stoßstange des Streifenwagens, der heftig hin und her schlingerte. Dann überholte der schwarze Truck und rammte das Polizeifahrzeug von links. Der Wagen drehte sich wie ein Kreisel, dann blieb ein Hinterrad im matschigen Seitenstreifen stecken, und der Wagen schlitterte über die Böschung. Der Pick-up verlangsamte, als wolle der Fahrer sein Werk noch einmal genüsslich betrachten. Dann entfernte er sich, als Ethan hinter ihm auftauchte.
Ethan war schon halb draußen, noch bevor der Explorer richtig stand, so sehr hatte die Angst ihn gepackt.
Nicht noch einmal.
Er durfte Sydney nicht verlieren. Er hatte schon zu viel verloren. Nicky. Seine Ehe. Seine Arbeit. Er würde nicht zulassen, dass sie starb.
Als Ethan den Abhang hinunterstieg, erschien ihm die Szene geradezu surrealistisch. Alles wirkte verlangsamt, und seine Schritte schienen von unsichtbaren Händen gebremst zu werden. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Der Streifenwagen lag auf dem Rücken wie ein sterbendes Insekt; die Räder drehten sich noch. Und wieder war da die Gewissheit: Er war zu spät gekommen – wie damals bei Nicky.
Dann kehrte schlagartig die Wirklichkeit zurück, als Ethan sich auf den Knien neben dem Wagen niederließ und der Schmerz wie ein Feuer seinen verletzten Arm hinaufschoss. Im Wagen hing Sydney mit dem Kopf nach unten auf dem Rücksitz. Sie war bewusstlos. Der Gurt hielt sie am Sitz fest. Hinter dem Lenkrad lag zusammengekrümmt der Deputy inmitten von Glasscherben. Sein Gesicht war blutüberströmt.
Ethan ging um das Auto herum, trat ein Seitenfenster ein und zwängte sich auf dem Rücken liegend ins enge Innere. »Sydney, kannst du mich hören?«
Sie stöhnte und bewegte sich leicht.
»Sydney?« Er strich ihr die Haare aus der Stirn, suchte nach äußerlichen Anzeichen von Verletzungen. Ein Blutrinnsal netzte ihre Lippen, und auf ihrer Stirn schwoll eine Beule, doch der Puls am Hals schlug regelmäßig. Gott sei Dank!
»Komm, Liebling«, sagte er. »Du musst mir helfen, wenn ich dich hier rauskriegen soll.«
Sydneys Lider flatterten, und sie murmelte etwas Unzusammenhängendes.
»So ist es gut, Sydney. Kämpf dagegen an.« Ethan tastete nach der Gurtschließe. »Ich mache jetzt den Gurt los. Bist du bereit?«
Sie nickte, auch wenn sie noch nicht ganz bei sich war.
Sie hatten nicht viel Zeit. Falls der Deputy über Funk Verstärkung herbeigerufen hatte, bevor sie in den Graben gestürzt waren, würde es hier binnen weniger
Weitere Kostenlose Bücher