Die letzte Schoepfung
finden wir schon. Erst mal müssen wir uns um dich kümmern.«
Die Fahrt kam Sydney endlos vor, obwohl sie wahrscheinlich erst wenige Minuten unterwegs waren. Irgendwann warf sie einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Vor zwei Stunden erst war sie mit den Neuigkeiten über Mulligan zurückgekehrt. Seitdem schienen Tage vergangen zu sein.
Als sie schließlich hielten, konnte Sydney nicht erkennen, wo sie waren. Ethan, der die ganze Zeit fast ununterbrochen geredet hatte, sagte gerade, dass man sie hier nicht finden würde. Aber er hatte sie doch gefunden! Vielleicht war alles nur ein Traum gewesen, denn auf einmal war Ethan verschwunden, und Sydney war allein…
Die Dunkelheit hüllte sie schützend ein.
Als Sydney erwachte, war Ethan wieder bei ihr. »Trink das«, sagte er und hielt ihr eine Tasse an die Lippen. Das heiße Getränk machte sie mit einem Schlag wach.
»Sehr gut«, sagte Ethan. »Kannst du jetzt alleine?« Er hielt ihr den Kaffee hin.
Sydney nahm die Tasse und trank einen weiteren Schluck.
»Gut. Hier hab ich was zu essen.« Ethan hob eine Tüte hoch, die auf dem Boden neben ihren Füßen lag. »Und Aspirin. Ich muss nochmal los.«
Sofort stieg Panik in ihr auf. »Wohin gehst du?«
»Ich muss uns einen anderen Wagen besorgen. Jeder Cop im County wird inzwischen Ausschau nach dem Explorer halten. Wir schaffen es nicht bis zur Stadt, wenn wir ihn nicht loswerden.«
Sydney fiel zum ersten Mal auf, dass sie in einem Gebäude waren. Vermutlich ein Lagerhaus. »Wo sind wir?«
»Erst einmal in Sicherheit, aber lange können wir hier nicht bleiben.« Er holte ein Sandwich aus der Tüte und reichte es ihr. »Außerdem müssen wir Danny und Callie suchen.«
»Glaubst du, sie haben aus dem Park herausgefunden?«
»Ja. Aber…«
»Aber was?«
»Da war noch jemand anders im Wald.«
Sydneys Magen krampfte sich zusammen. »Polizei?«
»Ich vermute, es war einer von Haven. Danny und Callie sind jedenfalls verschwunden. Ein alter Kerl in einer grünen Rostlaube hat sie mitgenommen. Den Kindern ist bestimmt nichts passiert.«
Sydney wünschte, sie hätte gar nicht erst gefragt oder dass Ethan einen anderen Zeitpunkt gewählt hätte, ihr die Wahrheit zu sagen. Aber konnte sie ihm vorwerfen, dass er ehrlich zu ihr war, wenn sie es in Zukunft von ihm erwartete?
»Wir finden sie schon«, fügte er hinzu.
Sie glaubte ihm. »Was ist mit dem Deputy? Der den Wagen gefahren hat? Ist er…«
»Es geht ihm soweit gut«, versicherte Ethan. »Er wird ein paar Tage im Krankenhaus liegen und wahrscheinlich die Krankenschwestern schikanieren, aber danach ist er wieder so gut wie neu.«
Sydney studierte sein Gesicht, suchte nach Anzeichen, ob er sich darüber lustig machte. Als sie nichts entdecken konnte, entspannte sie sich wieder. »Dann geh«, sagte sie. »Such uns ein geeignetes Transportmittel nach Champaign.«
Ethan lächelte matt – vielleicht war er überrascht – und stieg aus.
Sydney gelang es, wach zu bleiben. Sie trank den Kaffee aus und aß das Sandwich. Jeden Gedanken an die Gefahr, in der die Kinder schwebten, schob sie entschlossen beiseite. Wenn sie sich vor Sorgen verrückt machte, konnte sie Ethan bei der Suche nach Callie und Danny keine Hilfe sein.
Nach dem Essen ging es ihr besser, nur die bohrenden Kopfschmerzen waren grässlich. Sie nahm ein paar Aspirin und schaute sich im Rückspiegel an. Ihre Lippen waren geschwollen, und auf der Stirn war eine dicke Beule. Sydney berührte sie und zuckte vor Schmerz zusammen.
Plötzlich erinnerte sie sich an den schwarzen Truck, der sie gerammt hatte … zweimal, dreimal? Der Deputy hatte um Verstärkung gebeten, doch Sydney konnte sich nicht erinnern, ob er durchgekommen war. Der Mann hatte große Angst gehabt und geblutet… Alles war wie in einem Nebel. Sydney forschte in ihrem Gedächtnis, versuchte sich die letzten Sekunden vor dem Unfall zurückzurufen. Der Wagen hatte sich überschlagen, und dann hatte Ethan sie aus dem Wrack gezogen. Von da an wusste sie nichts mehr.
***
Als Ethan zurückkam, hatte er eine prall gefüllte braune Papiertüte dabei. »Geht's dir besser?«, fragte er.
»Ja.« Und diesmal stimmte es. »Was ist in der Tüte?«
Er lächelte ein wenig gezwungen. »Meine Verkleidung.« Er schüttete ein paar Kleidungsstücke auf den Fahrersitz. »Und du musst dich in Dr. Decker zurückverwandeln.«
Eine Viertelstunde später trug Sydney wieder ihre Bluse und die Lederjacke und hatte das grelle Make-up entfernt. Ethan hatte
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