Die Letzte Spur
suchen nach diesem Pub – Elephant heißt es, glaube ich. Vielleicht haben wir Glück, und die bieten sonntagmorgens ein Frühstück an. Andernfalls blüht uns wahrscheinlich ein Kaffeetisch in Mr. Cadwicks sauberer Wohnung, und ich denke, darauf haben Sie so wenig Lust wie ich.«
Rosanna schauderte. »Ich bin nicht pingelig, aber wenn ich sein dreckiges Geschirr sehe, habe ich Angst, mir irgendeine Krankheit zu holen. Außerdem ist der Typ einfach widerlich. Schleimig und total indiskret. Allein hier mit ihm in diesem Haus würde ich Alpträume bekommen. Was meinen Sie, stimmt die ganze Geschichte? Dass hier eine Elaine Dawson gewohnt hat? Dass hier überhaupt eine Frau gewohnt hat?«
»Sie meinen, weil sie gar so passend gerade jetzt verschwunden ist?« Marc nickte. »Ich habe mir das heute Nacht auch überlegt. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass er sich das alles nur ausgedacht hat. Ich vermute, er würde vor wenig zurückschrecken, wenn er sich damit ein bisschen Gesellschaft in sein trostloses Leben holen könnte. Im Grunde ist er ein armer Kerl.«
»Ich kann trotzdem kein Mitleid mit ihm aufbringen.«
»Auf jeden Fall ist das ein Grund mehr, den Elephant aufzusuchen. Denn dort soll sie gearbeitet haben, und wenn sich nicht alles verschworen hat, müssten wir dort eine glaubwürdige Bestätigung von Mr. Cadwicks Geschichte bekommen. Oder das Gegenteil hören.«
Während Marc im Bad war, ging Rosanna ins Schlafzimmer, machte ihr Bett und wählte dann Dennis' Nummer in Gibraltar. Sie wollte hören, ob Rob zurückgekommen war, aber ihr Herz schlug bis zum Hals. Sie hatte Angst, von Dennis erneut attackiert zu werden oder seinem Drängen auf Rückkehr nicht mehr länger ausweichen zu können.
Und vielleicht sollte ich das auch einfach tun, dachte sie, Elaine finden wir sowieso nicht, genug Material habe ich auch. Ich könnte morgen früh nach Gibraltar fliegen …
In ihrem Haus meldete sich niemand. Sonntagmorgens ging Dennis manchmal in seinen Fitnessclub. Vielleicht streifte er aber auch umher und suchte nach Robert. Dass dieser nicht an den Apparat ging, besagte nichts: An den Wochenenden schlief er bis zum Mittag, und nicht einmal eine Atombombe hätte ihn aus dem Bett geholt – geschweige denn das Läuten des Telefons.
Marc war fertig angezogen. Sie schlüpften in ihre Jacken und verließen auf Zehenspitzen die Wohnung. Mr. Cadwick schien noch zu schlafen, denn obwohl etliche Treppenstufen deutlich knarrten, rührte sich nichts im Haus. Sie atmeten beide auf, als sie unten in Marcs Auto saßen und endlich losfahren konnten.
Bei Tageslicht war alles viel einfacher. Sie begriffen rasch die Anordnung der schmalen Straßen und Gassen von Langbury, und nachdem sie begonnen hatten, sie systematisch abzufahren, standen sie recht bald vor dem Elephant , einem wuchtigen Bau aus roten Backsteinen, behäbig und gepflegt wirkend. Es gehörte sogar ein kleines Gärtchen dazu, in dem man im Sommer recht schön unter hohen, ausladenden Bäumen sitzen konnte. Jetzt waren ihre Zweige noch kahl, und Stühle und Tische standen an die Hauswand gerückt, mit großen Plastikplanen gegen die Witterung abgedeckt.
Zu ihrer Erleichterung ließ sich die Tür zur Gaststube öffnen, und der einladende Duft von frischem Kaffee wehte ihnen entgegen. Ein ziemlich übernächtigt wirkender Mann stand hinter der Theke und starrte sie erstaunt an.
»So früh kommt hier sonst niemand«, sagte er.
Rosanna setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »Könnten wir trotzdem einen Kaffee bekommen?«
Der Mann nickte. »Klar. Kaffee ist fertig. Mit dem übrigen Frühstück dauert es ein bisschen. Wir halten sonntags hier immer ab zehn Uhr einen kleinen Brunch bereit. Ich kann Ihnen jetzt nur Toast und Marmelade anbieten.«
»Das reicht völlig«, versicherte Marc, »wir brauchen nur irgendetwas, um ein bisschen auf die Beine zu kommen.«
Sie ließen sich an einem Ecktisch nieder, registrierten dankbar die saubere weiße Tischdecke und das geblümte Porzellan, in dem der Kaffee serviert wurde. Der müde Mann selber brachte ihnen ein Körbchen mit Toastbrot und einen großen Teller mit mehreren Marmeladengläsern und portionsweise abgepackten Butterpäckchen. Rosanna vermutete, dass es sich um den Besitzer des Elephant handelte.
Offenbar hatte Marc den gleichen Gedanken, denn er fragte: »Sie sind Mr. Justin McDrummond?« »Ja. Warum?«
»Marc Reeve. Dies ist Rosanna Hamilton. Wir sind aus London hierhergekommen.«
»Nicht gerade die
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