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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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am ganzen Körper legte sich.
    Vielleicht hatte sie sich alles nur eingebildet.
    Und was war da überhaupt gewesen, das Grund für diese Angst hätte sein können? Nichts. Gar nichts, bis auf ein plötzliches Gefühl.
    Da ist jemand. Ich werde beobachtet. Zwei Augen saugen sich an meinem Rücken fest.
    Noch einmal sagte sie laut: »Quatsch!«
    Es war wieder alles ganz normal. Niemand starrte sie an, niemand war da. Sie wurde wahrscheinlich langsam wunderlich. Vielleicht wurde man das, wenn man zu lang allein lebte.
    Trotzdem ließ sie, als sie wieder in der Tür nach draußen stand, noch einen letzten, langen Blick durch den düsteren Raum streichen. Verstecke gab es hier genug, keine Frage. Aber da war nichts, kein Rascheln, kein Scharren, kein Kratzen. Dunkles, kaltes Schweigen.
    Sie hatte sich einfach in etwas hineingesteigert.
    Aber als sie in ihrem Haus verschwand, verschloss sie, ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, die Haustür hinter sich. Sie drehte sogar den Schlüssel gleich zweimal herum.
     
    2
     
    Schlechter als in der vergangenen Nacht hatte Rosanna noch nie geschlafen. Jedenfalls konnte sie sich nicht erinnern. Sie hatte in Elaines Bett gelegen, dessen Matratze so durchhing, dass man in eine Art Kuhle in der Mitte rutschte und wie ein Taschenmesser zusammenklappte. Schon nach einer Stunde taten Rosanna alle Knochen weh. Zudem quälten sie verschiedene Bilder; Rob, der nicht nach Hause gekommen war. Dennis, der wahrscheinlich, von Sorgen gepeinigt, daheim auf und ab ging, allein, während seine Frau in Northumberland nach einer verschwundenen Freundin suchte und dabei, wie es aussah, einem Phantom hinterherlief.
    War es nicht so, dass ihr die ganze Sache aus dem Ruder lief? Oder wie hatte sie sonst in diesem abgeschiedenen Dorf, in dieser schrecklichen Behausung, bei diesem widerlichen Mr. Cadwick landen können?
    Als endlich von draußen graues Morgenlicht durch die Fensterläden kroch, stand sie auf. Zum Glück hatte die Bettwäsche sauber gewirkt. Rosanna vermutete, dass sie seit Elaines Auszug nicht gewechselt worden war – Mr. Cadwick würde sie wahrscheinlich noch seinem nächsten Untermieter ungewaschen andrehen, wenn er denn überhaupt einen fand –, aber Elaine war offenbar recht reinlich gewesen. Das Bett schien vor nicht allzu langer Zeit neu bezogen worden zu sein und roch angenehm nach einem blütenduftenden Waschmittel.
    Im Bad gab es kein Handtuch, zumindest nicht auf den ersten Blick. Im Wäschekorb fand Rosanna schließlich einen zusammengeknüllten Waschlappen, der modrig roch. Vor dem Spiegel lag ein kleines Stück Seife. Sie wusch sich mehr schlecht als recht und kämmte sich mit den Fingern die Haare. Sie fand, dass sie schrecklich aussah. Ihre Haarwirbel vermochte sie nur mit Hilfe eines Föhns und einer Menge Spray zu bändigen, und beides stand ihr hier nicht zur Verfügung. Ihr Kopf erinnerte an das Fell einer kranken Katze.
    »Oder an das einer räudigen Ratte, wenn man ganz gemein sein will«, murmelte sie. Warum hatte sie nicht wenigstens etwas Wimperntusche oder einen Eyeliner dabei? In ihrer Handtasche fand sie nur einen Lippenstift, aber die Tatsache, dass sie nun mit einem leuchtend roten Mund herumlief, machte den Gesamteindruck nicht besser.
    In der winzigen Küche traf sie Marc, barfuß, in Boxershorts und T-Shirt. Er schien überrascht, dass sie schon wach war.
    »Ich dachte, um diese Uhrzeit schlafen Sie noch tief und fest«, sagte er.
    »Ich glaube, ich habe keine Sekunde geschlafen«, erwiderte Rosanna, »dieses Bett ist eine Art Foltergerät. Wie war Ihr Sofa?«
    »Auch nicht viel besser, fürchte ich. Ich bin sofort bis auf den Boden durchgesunken. Ich halte mich eigentlich für ganz fit und sportlich, aber meine ersten Schritte heute Morgen waren die eines steinalten Mannes. Ich wusste bislang nicht, dass ein Rücken so weh tun kann.«
    »Meiner fühlt sich an, wie frisch aus einem Schraubstock entlassen oder so ähnlich.« Sie fuhr sich mit einer unsicheren Bewegung durch die Haare. »Im Bad ist leider nicht viel zu finden, womit man sich einigermaßen in Form bringen kann. Sie müssen heute mit einer Frau vorliebnehmen, deren Haare in alle Himmelsrichtungen abstehen. Ich kann es nicht ändern.«
    »Dafür kann ich mich nicht rasieren«, sagte Marc, »alles halb so wild. Hören Sie, ich habe mich umgeschaut, hier gibt es nicht einmal einen Kaffee, den wir uns machen könnten. Ich würde vorschlagen, wir stehlen uns so leise wie möglich davon und

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