Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
wird! Was ich, beiläufig gesagt, übrigens auch nicht so toll finde. Ich meine, Alkohol in deinem Alter. Ich bin nicht sicher, ob du bei mir größere Chancen hättest, mit so etwas durchzukommen.«
    »Es ist auch… seine Art«, meinte Robert vage.
    Marina konnte sich denken, was er meinte. Ihre Beziehung zu Dennis Hamilton hatte etliche Jahre gewährt. Sie kannte ihn. Er war, wie sie wusste, im Grunde ein guter Kerl, aber Diplomatie hatte nie zu seinen Stärken gehört. Er konnte sehr barsch und ruppig werden, wenn er Dinge durchsetzen wollte. Sie selbst war oft deswegen mit ihm aneinandergeraten. Für einen pubertierenden Jugendlichen war es mit Sicherheit noch viel schwerer.
    »Bitte sag mir eure Telefonnummer«, beharrte sie dennoch, »ich muss ihn anrufen. Ich finde das auch über die Auskunft heraus, aber du könntest es mir leichter machen.«
    »Okay«, sagte Robert widerwillig. Dann schaute er ihr plötzlich direkt in die Augen, und sie dachte auf einmal: die Augen. Die Augen hat er von mir.
    Es war, als blicke sie in einen Spiegel. Es war faszinierend.
    »Kann ich hierbleiben?«, fragte er. Sie erschrak. »Für heute Nacht?« »Für immer.« »Robert, ich …«
    »Ich will nicht zu Dad zurück. Und ich habe sonst niemanden. Du bist meine Mutter. Ich dachte…«
    »Was?«
    »Ich dachte, du freust dich vielleicht, mich kennen zu lernen«, sagte Robert.
     
    9
     
    »Es tut uns leid«, sagte Rosanna zu Brent Cadwick. »Aber diese Frau ist nicht die Elaine Dawson, die wir suchen.«
    Sie standen im Treppenhaus. Durch die Haustür, die zu schließen niemandem eingefallen war, drang beißende Kälte herein. Cadwick blickte enttäuscht drein. Die Sensation, auf die er gehofft hatte, hatte sich innerhalb weniger Sekunden in nichts aufgelöst.
    Aber enttäuschter als ich kann er gar nicht sein, dachte Rosanna.
    Sie fühlte sich plötzlich überwältigt von Müdigkeit – und von dem Gefühl tiefer Frustration. Sie merkte erst jetzt, wie sehr sie auf einen Erfolg gehofft hatte. Als es den Anschein hatte, dass sie die Suche abbrechen mussten, weil sie Elaine haarscharf verpasst hatten, war sie auch traurig gewesen, aber da hatte es immer noch den Gedanken gegeben: Vielleicht ist sie es. Und vielleicht gibt es doch noch eine Chance, sie zu finden.
    Nun stand fest: Sie waren einer falschen Fährte gefolgt. Ein konkreter Hinweis, wundersam genug nach fünf Jahren, hatte sich als Irrtum erwiesen. Eine Frau, die zufällig denselben Namen trug und eine vage Ähnlichkeit mit der Gesuchten aufwies, mehr war es nicht. Sie standen mit ebenso leeren Händen da wie zuvor.
    Das Rätsel würde sich wohl nie mehr lösen lassen.
    »Aber«, sagte Cadwick trotzig, als könne er durch Hartnäckigkeit irgendetwas an den Tatsachen ändern, »diese Frau ist doch wirklich merkwürdig!«
    »Das ist sie«, gab Rosanna zu. Der seltsame Blick, die Angst … mit der Frau stimmte zweifellos etwas nicht.
    »Aber das macht sie noch nicht zu der von uns gesuchten Person«, sagte Marc.
    »Ich hatte es gut gemeint«, sagte Cadwick.
    »Wir sind Ihnen auch wirklich dankbar«, räumte Rosanna widerwillig ein.
    Unschlüssig standen sie herum.
    Nach London kommen wir heute nicht mehr, dachte Rosanna müde und im nächsten Moment: Ich muss es unbedingt noch einmal telefonisch bei Dennis versuchen.
    Sie vernahmen schleppende Schritte und wandten sich um. Die Frau, die Elaine Dawson hieß, kam langsam aus der Wohnung.
    »Ich kann dann gehen?«, fragte sie.
    Rosanna wunderte sich, wie sie so demütig und fast unterwürfig sein konnte. Cadwick hatte sie eingesperrt. Er hatte zuerst einen Journalisten auf sie losgelassen und dann zwei wildfremde Menschen auf sie gehetzt, die – verwirrend und seltsam für sie – offensichtlich jemand ganz anderen vorzufinden erwartet hatten. Rosanna hätte sich kein bisschen gewundert, wenn die Fremde getobt und geschimpft, Aufklärung und sodann jede Menge Entschuldigungen verlangt hätte. Sie hätte sogar mit einer Anzeige drohen können. Stattdessen schien sie immer kleiner und unscheinbarer zu werden und keinen anderen Gedanken zu hegen als den, möglichst ohne weiteren Schaden zu nehmen aus dieser Situation herauszukommen. Sie wirkte wie ein Mensch, der sich am liebsten aufgelöst hätte. Jeder ihrer Blicke schien zu sagen: Ich bin nicht da! Vergesst mich ganz schnell. Ihr habt mich nie gesehen. Es gibt mich überhaupt nicht!
    »Natürlich können Sie gehen«, sagte Rosanna anstelle von Brent Cadwick, der diese Antwort

Weitere Kostenlose Bücher