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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Er zögerte kurz, fuhr dann fort: »Oder Sie sagen uns, wovor Sie solche Angst haben, Miss Dawson. Ich meine … in gewisser Weise sind wir schuld an der Sache mit dem Journalisten, auch wenn wir ihn wirklich nicht auf unserer Fährte haben wollten. Aber vielleicht können wir Ihnen helfen, falls das alles größere Unannehmlichkeiten für Sie nach sich zieht.«
    Die Frau reagierte nicht. Sie starrte an ihm vorbei, abwesend, so als sei sie gar nicht da.
    Rosanna griff nach ihrer Hand, stellte fest, dass diese eiskalt und schlaff war. »Miss Dawson – Elaine, vielleicht müssen wir Ihnen zuvor ein paar Dinge erklären. Wie Sie sicher schon begriffen haben, sind Sie Opfer einer Verwechslung geworden. Wir suchen händeringend eine Frau, die vor fünf Jahren verschwunden ist und die ebenfalls Elaine Dawson heißt. Mr. Cadwick hat sich aufgrund einer Fernsehsendung bei mir gemeldet und behauptet, die gesuchte Person lebe bei ihm zur Untermiete. Deshalb sind Mr. Reeve und ich von London hierhergekommen. Aber wie sich herausgestellt hat, heißen Sie zwar Elaine Dawson, aber …«
    Die Fremde reagierte nun doch. Zum ersten Mal, seit sie in Brent Cadwicks Treppenhaus weinend zusammengebrochen war, bewegte sie sich aus eigenem Willen. Sie wandte den Kopf und sah Rosanna an. Ihre Augen hatten noch immer den erschreckenden Ausdruck von Leere, aber etwas in ihr schien sich zu verändern. Ein Anflug von Leben war spürbar, der Wunsch, sich nicht länger zu verstecken.
    »Ich heiße nicht Elaine Dawson«, sagte sie, und dann stieß sie plötzlich blitzschnell die Wagentür auf.
    »Nicht! Hier kommen Sie nicht weit!«, rief Rosanna, die glaubte, die andere wolle davonlaufen, erschrocken.
    Aber die Frau wollte nicht entkommen. Sie lehnte sich hinaus und erbrach sich auf den steinigen Feldweg, würgend und zitternd, und wieder und wieder.
    Als sie fertig war, blieb sie schwer atmend sitzen, griff aber nach dem Taschentuch, das Rosanna ihr reichte, und tupfte sich damit den Mund ab.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie schließlich.
    Wieder sah sie Rosanna an. »Ich heiße Pamela«, sagte sie, »Pamela Luke. Der Name Elaine Dawson war meine Tarnung in den letzten Jahren.« Sie griff in ihre Handtasche, kramte darin herum. Sie fand, was sie suchte, und warf es Rosanna in den Schoß: einen britischen Pass.
    Rosanna schlug ihn auf und meinte, ihren Augen nicht trauen zu können.
    »Das gibt es nicht!«, keuchte sie.
    »Was denn?«, fragte Marc.
    Fassungslos starrte sie auf das Dokument. Es war kein Zweifel möglich: das Foto, die Daten…
    Sie hielt die Ausweispapiere der vermissten Elaine Dawson in den Händen.
     

Montag, 18. Februar
     
    1
     
    Pit Wavers war nicht mehr so viel mit Ron zusammen wie früher, und eigentlich tat ihm das leid. Er mochte ihn und hatte sich in seiner Gegenwart immer wohl gefühlt, aber er musste akzeptieren, dass dies von Seiten des anderen nicht der Fall war. Sie hatten tolle Zeiten zusammen gehabt, damals, vor Jahren hier in London, aber bestimmte Geschichten hatten Ron verärgert, und er hatte sie wohl auch nicht verstehen können.
    »Du bist ja krank«, hatte er einmal zu Pit gesagt, und das hatte Pit tief verletzt. Jedem anderen hätte er für einen derartigen Ausspruch ein paar in die Fresse gehauen, aber Ron war sein Freund und genoss eine gewisse Narrenfreiheit. Er durfte sich Dinge erlauben, die für andere nie in Frage gekommen wären. Pit konnte sich allerdings niemanden vorstellen, der es gewagt hätte, ihn zu attackieren. Die meisten Menschen in seinem Umfeld hüteten sich davor, ihm ins Gehege zu kommen. Er war klein, aber stark wie ein Löwe. Wenn man ihn reizte, noch stärker. Und er verlor leicht die Kontrolle über seine Fäuste. Wenn er erst einmal begonnen hatte, einen Gegner zusammenzuschlagen, vermochte er kaum mehr aufzuhören. Es war wie ein Rausch. Er liebte die Schmerzensschreie und das Wimmern der anderen, liebte das Geräusch, wenn Rippen brachen oder Gelenke knackten. Bei fließendem Blut oder einem zerberstenden Kieferknochen bekam er fast einen Orgasmus. Und das genau war der Unterschied zu Ron. Ron ging mit seinen Feinden auch nicht zimperlich um, weiß Gott nicht, aber er blieb kalt in Herz und Hirn, wenn er einen Gegner krankenhausreif prügelte. Er war gewalttätig, aber seine Gewaltausbrüche hatten nicht den Charakter einer Orgie wie bei Pit. Pit war wie von Sinnen, wenn er ein Opfer vor sich hatte, und er geriet in Ekstase, wenn sein Ausbruch roher, wütender und

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