Die Letzte Spur
Kurz tastete er nach seiner Waffe, strich fast liebevoll über das kühle Metall. Er würde Pam auseinandernehmen. Er hatte fast fünf Jahre lang von dem Moment geträumt, wenn er ihr gegenüberstünde, und nun würde er sich ein paar spezielle Dinge für sie ausdenken.
Er war damals so perplex gewesen über Pammys Flucht, dass er sich tagelang geweigert hatte einzusehen, dass sie es wirklich getan hatte. Noch dazu in einem Moment, da es ihm schlecht ging. Es war ein ungewöhnlich kalter und verregneter April gewesen, und er hatte fast zwei Wochen lang eine fiebrige Erkältung gehabt. An jenem Dienstag hatte er auf dem Sofa gelegen und unter heftigen Kopfschmerzen gelitten, und er hatte Pamela angefahren, ihm sofort zwei Aspirin zu bringen. Er hatte sie im Bad herumstöbern hören, dann war sie im Wohnzimmer erschienen. »Es sind keine mehr da. Soll ich schnell zur Apotheke gehen?«
Sie hatte ein böses Veilchen am rechten Auge gehabt, ein Andenken an den letzten Streit, den sie gehabt hatten. Daran erinnerte er sich bis heute. Und auch daran, dass er gedacht hatte: Lass sie nicht gehen. Ruf Ron oder sonst jemanden an und lass dir die Tabletten besorgen, aber behalte die Schlampe bei dir in der Wohnung.
Er wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, dass sie über Flucht nachdachte. Er kannte die Signale, wenn eine Frau so weit war. Die Hoffnung, seine Gunst noch einmal zu gewinnen, hatte sie aufgegeben. Sie lebte in ununterbrochener Angst vor seinen Gewalttätigkeiten. Sie verlor an Attraktivität, war mager, bleich und hatte häufig ein nervöses Zucken am Auge. Sie hielt stets vorsichtigen Abstand zu ihm, weil sie ständig mit einem Faustschlag rechnen musste – auch dann, wenn nichts vorgefallen war. Pit wusste, dass man einen anderen Menschen am sichersten dadurch einschüchterte, dass man sich völlig unberechenbar für ihn machte. Pamela hatte keine Ahnung, welches Verhalten sie an den Tag legen musste, um ihn gnädig zu stimmen, und das machte ihr Leben zur Hölle.
Ihre Ausweispapiere hatte er ihr schon vor längerer Zeit abgenommen, aber er hatte es sich zudem angewöhnt, sie in der Wohnung einzuschließen, wenn er ohne sie fortging. Er begleitete sie zum Einkaufen und achtete darauf, dass sie nicht alleine draußen herumlief. Früher war sie gerne gejoggt; das hatte sie aufgeben müssen, weil er natürlich keine Lust hatte, neben ihr herzuhecheln.
Es war nicht so, dass er sie noch als seine Frau haben wollte. Er war verrückt nach ihr gewesen, weil sie eine scharfe Person war, aber inzwischen ging sie ihm nur noch auf die Nerven. Sie war auch lange nicht mehr so attraktiv wie früher. Trotz ihres jugendlichen Alters zeigte sie verhärmte Züge. Er hatte längst wieder angefangen, anderen Frauen unverhohlen hinterherzustarren, und schließlich hatte es auch die Affäre mit Jane French gegeben, dieser miesen Person, die versucht hatte, ihm zu entkommen.
Er jedoch bestimmte, wann er eine Frau ausmusterte, nur er! Und das würde mit Pamela nicht anders sein.
Er hatte sie an jenem Apriltag schließlich gehen lassen, das Aspirin zu holen, denn ihm war schon übel gewesen von den Kopfschmerzen, und er hatte keine Nerven mehr gehabt, sich einen anderen Boten zu organisieren. Er war dann eingeschlafen, und als er aufwachte, waren mehr als drei Stunden vergangen. Die Apotheke lag fünf Minuten entfernt. In der ganzen Wohnung keine Spur von Pamela.
Schmerzgepeinigt war er herumgetorkelt, hatte ihren Namen gebrüllt, hatte in jeden Schrank, unter jedes Bett geschaut. Ihre Sachen waren noch da, aber das besagte nichts. Sie wäre kaum mit einem Koffer losgezogen.
Im Bad fand er, ganz hinten in einem Regal, ein angebrochenes Päckchen Aspirin. Sie hatte ihn angelogen, als sie behauptete, es sei nichts mehr da.
Nachdem er zwei Tabletten genommen hatte, ging es ihm langsam besser. Obwohl alles so offensichtlich war, sagte er sich, dass sie bestimmt wiederkommen würde. Letztlich würde sie eine solche Geschichte nicht durchziehen. Nicht Pamela mit ihrem nervösen Augenzucken und ihrer unterwürfigen Art. Sie trieb sich ein wenig herum, aber sie würde irgendwann winselnd nach Hause schleichen. Er würde ihr einen Empfang bereiten, den sie nie vergessen sollte.
Er glaubte das auch noch am nächsten und am übernächsten Tag. Am dritten Tag sagte Ron zu ihm: »Die ist weg, Mensch, begreif das doch endlich. Die hat sich vom Acker gemacht. Die siehst du nicht mehr wieder.«
Er wusste bis heute, dass er in den Sekunden, die
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